Tokio Vice
um sie zu kümmern, und flog nach Tokio. Man hatte mich angewiesen, ins ›Hotel Ana‹ zu gehen. Dort traf ich Viktor zum ersten Mal. Er kam aus den Niederlanden, war sehr attraktiv und spielte den perfekten Gentleman. Ich war richtig erleichtert.
Viktor fuhr mit mir zu meiner künftigen Wohnung. Er sagte, dass ich mich ruhig etwas entspannen solle, da ich bestimmt müde sei vom langen Flug. Ich könne auch erst am nächsten Tag anfangen zu arbeiten. Er brachte mich in ein Apartment im dritten Stock eines Hauses in Nishi-Azabu. Ich erinnere mich noch genau an die Adresse. Ein kolumbianisches und ein kanadisches Mädchen wohnten bereits dort. Drei Frauen in einem winzigen Raum, das fand ich schon etwas irritierend. Dann öffnete Viktor eine Schublade und wies mich an, alle meine Wertsachen hineinzulegen, auch meinen Pass, damit nichts gestohlen würde. Ich tat, was er sagte.
Am nächsten Tag gegen fünf Uhr nachmittags kamen Viktor und Slick, ein Japaner, in das Apartment. Sie brachten uns in den Club, der ganz anders aussah als auf den Fotos, die man mir in Polen gezeigt hatte. Viktor teilte uns ziemlich unfreundlich mit, dass wir hier arbeiten würden. Ich war richtig wütend. Dann erklärten uns die beiden Männer, was wir tun sollten. Wir sollten Männer massieren und mit der Hand befriedigen. Für Oralsex sollten wir 4000 Yen (40 Dollar) bekommen. Allerdings mussten wir auch jeden Tag 7500 Yen (75 Dollar) bezahlen, einerlei, ob wir Kunden hatten oder nicht. Wenn wir nicht zahlten, galt der Betrag als Kredit, den wir abbezahlen mussten. Als Erstes stellten sie uns die Flugkosten in Rechnung und behaupteten, wir seien ihnen bereits 300 000 Yen (3000 Dollar) schuldig. Die Wohnung kostete 10 000 Yen (100 Dollar) am Tag. ›Also, haltet euch ran‹, sagten sie. ›Wenn ihr mehr Geld verdienen wollt, könnt ihr mit einem Kunden auch ins Bett gehen. Dafür kriegt ihr 20 000 Yen (200 Dollar). Da ihr drei Monate im Land bleiben dürft, könnt ihr alle Schulden zurückzahlen, wenn ihr fleißig seid.‹
Ich war entsetzt, aber ich konnte nichts tun. Nachdem ich die Bar verlassen hatte, irrte ich in Tokio herum, denn ich kannte den Weg zum Apartment nicht und fand erst nach zwei oder drei Stunden wieder zurück. Ich wollte meinen Pass und mein Flugticket holen und nach Hause zurückkehren, aber die Schublade war leer. Also konnte ich nur warten.
Als ich wieder auf Viktor traf, wirkte sein Gesicht so überheblich und triumphierend, dass ich wütend wurde und ihn anfuhr: ›Was zum Teufel machen Sie mit mir? Geben Sie mir sofort meinen Pass zurück und mein Flugticket. Sie sind ein Dieb, und wenn Sie mir die Sachen nicht zurückgeben, werde ich zur Polizei gehen.‹ Er antwortete vollkommen ruhig: ›Wir haben das Ticket gekauft, also gehört es uns und nicht dir. Ich stehle nichts, du undankbare Nutte. Geh doch zur Polizei. Du hast keinen Pass, oder? Sie werden dich als illegale Ausländerin festnehmen und ausweisen, aber du schuldest uns dann trotzdem noch Geld. Und wir werden es uns zurückholen. Ich weiß, wo deine Familie lebt, und meine Freunde wissen es auch.‹
Ich hatte ja meine Tochter bei meiner Mutter zurückgelassen und der Mann, der mich angeworben hatte, wusste, wo wir wohnten. Nach Viktors Drohung bekam ich daher große Angst um meine Familie. Ich fürchtete, dass sie meine Tochter und meine Mutter umbringen würden, wenn ich wegliefe. Wenn ich hätte fliehen können, dann hätte ich meine Botschaft aufsuchen müssen. Aber auch da fürchtete ich, dass Viktor dazwischenfunken könnte, vielleicht hatte er sogar Freunde in der Botschaft. Mein Gott, ich war so dumm.
Ich hatte keinen Platz zum Schlafen, kein Geld und konnte nirgendwo hingehen. Also blieb mir nur diese Arbeit. So etwas hatte ich
noch nie getan. Sie hatten gesagt, dass wir für eine einfache Massage 1000 Yen (10 Dollar) bekämen. Ich hasste es, aber ich tat es. Die Männer anzufassen war schlimm genug, aber sie wollten immer Oralsex. Dafür bekam ich mehr Geld. In der ersten Woche massierte ich nur, aber Viktor und Slick verlangten 10 000 Yen (100 Dollar) am Tag für die Wohnung. Also versuchte ich es mit Oralsex, aber das ging mit den fremden Männern einfach nicht. Ich musste immer würgen. Allmählich begann ich auch, mich selbst zu hassen. Eines Tages ging ich dann weinend zum Geschäftsführer des Clubs. Er sagte, dass er nicht wisse, wo mein Pass sei. Ich weiß nicht, was er dann mit Viktor besprochen hat, aber er brachte mir meinen Pass
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