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Tokio Vice

Titel: Tokio Vice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jake Adelstein
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marineblauen Pullover, eine lange Lederjacke und Lederhandschuhe. Die Haare hatte er nach hinten frisiert. Er sah viel mehr nach Yakuza aus als jeder echte Yakuza.
    Als der Typ im weißen Trainingsanzug sich näherte, um mir an den Kragen zu gehen, schrie Sekiguchi seinen Namen und fügte hinzu: »Beweg deinen fetten Arsch weg von hier und hör auf, das gottverdammte Telefon zu benutzen!« Der Mann wich zurück, starrte mich aber weiter an.
    Sekiguchi kam näher, um Patronenhülsen zu suchen, und flüsterte: »Jake, übertreiben Sie es nicht. Machen Sie sich diese Typen nicht zum Feind. Die haben wenig Sinn für Humor.« Dann meinte er noch: »Kommen Sie heute Abend vorbei.«
    Ich nickte. Wir hielten uns eisern an die Regel, niemals länger am Tatort miteinander zu sprechen. Ich blieb noch eine Weile dort und versuchte, ein paar Augenzeugenkommentare zu erhalten. Im ersten Stock versicherte mir eine Bar-Hostess: »Ich wusste, dass die Leute da unten keine richtigen Detektive waren. Aber ich wusste nicht, dass sie Yakuza waren. Sie waren bis heute sehr ruhig.«
    »Nun wissen Sie es aber. Haben Sie jetzt Angst?«, fragte ich und versuchte, sie behutsam in die gewünschte Richtung zu lenken.
    »Na ja«, sagte sie, während sie an einer Zigarette zog, »eigentlich nicht. Es ist wie mit dem Blitz. Er schlägt nie zweimal ein, oder?«
    Eine völlig unbrauchbare Bemerkung.
    Aber ich brachte einen pensionierten Lehrer im zweiten Stock dazu, etwas Passenderes zu sagen: »Ich habe immer befürchtet, dass das passieren würde. Und jetzt ist es passiert. Ich habe solche Angst, dass ich am liebsten ausziehen möchte. Warum kann die Polizei nichts gegen so gefährliche Leute unternehmen?«
    Das wäre brauchbar gewesen, aber den problematischen Inhalt musste ich leider streichen. Denn wenn die Polizei weiß, wo sich die Yakuza-Büros befinden, und die Bürger es ebenfalls wissen, warum schließt die Regierung sie dann nicht? Das war eine heiße Sache. Ich glaube, die gedruckte Version der Aussage lautete dann: »Ich hoffe, die Polizei schnappt diese Leute.«
    Eine Hausfrau, die nebenan wohnte, sagte: »Wenn eine dieser Kugeln ihr Ziel verfehlt hätte ... Ich möchte gar nicht daran denken. Zum Glück wurde niemand verletzt.« Nun, das war zwar wahr, aber es entsprach auch nicht ganz den Tatsachen, weil zwei Yakuza sich in einem kritischen Zustand befanden. Doch wenn nur zwei Yakuza niedergeschossen wurden, dann bedeutete dies für die meisten Leute, dass niemand verletzt worden war.
    Ich reichte meinen Artikel ein, machte ein Nickerchen und fuhr dann zu Sekiguchi.
    Er kam gegen zehn Uhr. Ich war schon in seinem Haus und saß mit den Füßen unter dem kotatsu neben Yuki-chan, seiner älteren Tochter, die mich charmant dazu verdonnert hatte, ihr bei ihren Englisch-Hausaufgaben zu helfen. Chi-chan, die Jüngere, schaute sich im Fernsehen ein schreckliches Musical an und knabberte kandierten Tintenfisch. Frau Sekiguchi las die Zeitung. Das Haus war so klein, dass ich fast die Wände berühren konnte, wenn ich die Arme ausstreckte, aber es war gemütlich.
    Sekiguchi kam herein, warf seine Jacke auf den Tatami, setzte sich sofort zu uns auf den Boden und steckte die Füße unter den kotatsu .
    » Otsukare-sama «, sagte ich. Diese Standardbemerkung bedeutet in etwa: »Harter Job, Sie sind bestimmt müde.« »Wie kommen die
Ermittlungen voran?«
    »Tja, die Kokusui-Kerle kooperieren nicht. Sie reden nicht. Aber der Täter hatte eine Menge Mumm.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Na, denken Sie an ähnliche Überfälle – ein paar Schüsse in die Tür. Was bringt das schon? Aber dieser Typ ist ein verdammter Kamikaze. Er klingelt an der Tür, geht ins Büro und fragt: ›Wer ist hier der Chef?‹ Noch bevor er eine Antwort bekommt, geht er zu einem der Kokusui-kai-Schläger, die dort herumsitzen, und schießt ihm in die Brust und in den Bauch. Dann dreht er sich um und knallt einen anderen Ganoven ab. Danach geht er hinaus, er rennt nicht etwa, er geht. Da ist dann dieser 18-jährige Yakuza-Möchtegern auf der Straße, der ihn packen will und ihm die Kanone entreißen will, die er in der rechten Hand hält. Kein ebenbürtiger Kampf, der Täter sticht dem Jungen mit der anderen Hand in den Bauch. Und schon ist er weg. Der Hausmeister hört den Krach, rennt die Treppe herunter, befördert die drei Verwundeten in sein Auto und bringt sie ins Krankenhaus. Dann wird die Polizei gerufen. Die Spurensicherung ist noch dort.«
    »Wissen Sie, welche

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