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Tokio Vice

Titel: Tokio Vice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jake Adelstein
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versuchte, Rauchringe zu blasen. Dann machte ich die dumme Bemerkung des Tages: »Gut, aber welche Rolle spielt das schon? Sugaya wird verurteilt und nach drei oder vier Jahren freigelassen. Es kümmert doch niemanden, wenn ein Yakuza einen anderen umlegt, erst recht nicht, wenn er den anderen nur verwundet.«
    »Ja, das ist ein echtes Problem.«
    »Ein Problem?«
    »Warum sollen diese Ganoven glimpflicher davonkommen als alle anderen Leute? Das Verbrechen ist das Gleiche. Sie wissen natürlich, dass die Gerichte sie anders behandeln, und das ermutigt sie zu Bandenkriegen. Sie schießen schneller aufeinander, weil sie wissen, dass sie dafür nicht lange sitzen müssen.«
    »Ja, das mag sein, aber Sugaya wird trotzdem nur vier Jahre bekommen – höchstens. Schauen Sie sich doch die Statistik an.«
    »Ich werde ihn vernehmen und ich könnte erreichen, dass er zehn Jahre kriegt.«
    »Zehn Jahre? Sie träumen, Sekiguchi-san.«
    »Mindestens zehn Jahre.«
    »Da wette ich mit Ihnen. Wenn Sie es schaffen, dass dieser Bursche zehn Jahre eingesperrt wird, lade ich Sie und Ihre Familie zu einem yakiniku 20 ein. Sie können jedes beliebige Rindfleisch bestellen. Wenn er aber weniger als zehn Jahre bekommt, müssen Sie mir eine Liste aller Yakuza-Büros und ihrer Chefs in Saitama geben.«
    Sekiguchi drückte seine Zigarette aus. »Diese Wette werden Sie noch bereuen, ich habe zwar zwei kleine Töchter, aber die essen wie fünf kleine Jungs. Stellen Sie sich auf eine saftige Rechnung ein!«
    Frau Sekiguchi kicherte über uns Streithähne. »Ich fürchte, Jake-san, Sie werden die Wette verlieren.«
    Ich versicherte ihr, dass ich noch nie in meinem Leben eine Wette verloren hatte. Dann gab ich zu bedenken: »Für Körperverletzung gibt es niemals zehn Jahre, nicht einmal, wenn der Täter eine Schusswaffe benutzt hat.«
    »Wer spricht denn von Körperverletzung? Das ist versuchter Mord.«
    Daran hatte ich nicht gedacht, aber dafür musste man erst den Vorsatz nachweisen.
    »Hat Sugaya vielleicht ›Stirb, du Bastard!‹ oder ›Ich bring dich um!‹ gerufen?«
    Sekiguchi zuckte zusammen. »Nein, das hat er nicht.«
    »Wie wollen Sie ihm dann den Vorsatz nachweisen?«
    »Hier gilt der Rechtsgrundsatz › mihitsu no koi ‹. Wenn man einer Person aus nächster Nähe in die Brust und in den Bauch schießt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie stirbt. Das weiß jeder Mensch.«
    »Aber Sugaya ist nicht dumm, er wird einfach behaupten, dass er seinen Opfern nur Angst einjagen wollte. Immerhin hat er ihnen die Pistole ja nicht an den Kopf gehalten. Nur ein paar Schüsse, dann ist er weggelaufen. In Panik. Kein Tötungsvorsatz.«
    »Sie sind auf dem Holzweg, Jake-kun. Der Kerl ist ein brutaler Kämpfer, dem war es egal, ob die beiden starben oder überlebten. Es hat ihm Freude gemacht, zu schießen.«
    »Mag sein, aber wer ist schon so dumm, das zuzugeben?«
    »Ach, mir wird er es sagen.«
    »Na dann viel Glück. Sagen Sie mir Bescheid, wenn ich die Liste abholen kann.«
    Wir setzten unser Geplänkel auch nach der Wette fort. Sekiguchi ließ keinen Zweifel daran, dass er die Yamaguchi-gumi verabscheute und froh war, dass Saitama nicht ihr Revier war. »Sobald sie in einer Präfektur Fuß gefasst haben, breiten sie sich wie Krebsgeschwüre aus. Ich würde die Sumiyoshi-kai diesen Typen jederzeit vorziehen.«
    Sekiguchi erreichte schließlich tatsächlich, dass Sugaya wegen versuchten Mordes und Verstoßes gegen das Waffengesetz angeklagt wurde. Er appellierte an Sugayas »männlichen Stolz« und brachte ihn so dazu, die Wahrheit zu sagen. Sugaya wurde zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt, und ich musste die Familie Sekiguchi zum yakiniku ausführen und für eine Mahlzeit – inklusive erstklassigem japanischem Rindfleisch – 30 000 Yen (300 Dollar) hinblättern.
    Shibata lächelte.
    »Jake-san, manchmal sind Sie wirklich ein bakayaro (Dummkopf). Sie hätten nie mit diesem Cop wetten dürfen. Sogar ich habe von Sekiguchi gehört. Er war kein Freund von uns, aber alle haben ihn respektiert. Und dieser Sugaya – den bewundere ich. So waren die Yakuza früher. Sie begingen ein Verbrechen, und dann saßen sie ihre Strafe ab. Das war gokudo . Sie haben nicht gejammert oder gebettelt wie die heutigen chinpira . Sie lebten wie Männer und nahmen ihre Strafe auf sich wie Männer. Die heutigen Nichtsnutze haben Angst vor dem Knast. Verdammte Schwächlinge. Darum überlassen wir die Drecksarbeit den Chinesen und Iranern. Wenn die geschnappt

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