Tokio Vice
Konto in Tokio bei der japanischen Filiale eines großen Kasinos. Sie haben über den Kajiyama-Fall geschrieben, also wissen Sie, wie das abläuft. Ihre Informationen sind gut.«
»Was schlagen Sie vor?«
»Vielleicht sollte ich das nicht sagen, aber Sie sind eine Bedrohung für seinen Ruf und sein Ansehen. Wenn er Sie erledigt, kann er vielleicht verhindern, dass er auffliegt. Sobald Sie aber Ihr Buch veröffentlicht haben, macht es für ihn weniger Sinn, Sie umzubringen. Sie sind Schriftsteller, oder, dann ist es jetzt Zeit zu schreiben.«
Am 7. März ärgerte ich die Nationale Polizeibehörde, weil ich den Prozess gegen Goto im Bezirksgericht besuchte. Die Polizisten, die den Fall bearbeiteten, erzählten, dass ein Zeuge derart eingeschüchtert worden sei, dass er sich weigere auszusagen. Es gelang mir, ein paar Minuten im Gerichtssaal zu verbringen. Ich saß direkt hinter Goto.
Ich hätte die Hand ausstrecken und ihn erwürgen können, wenn ich gewollt hätte. Oder ich hätte ihn mit einem Bleistift in den Kehlkopf stechen können. Natürlich tat ich das nicht, aber ich konnte es mir nicht verkneifen, ihn anzustupsen, nur um mich zu vergewissern, dass er echt war. Er bemerkte es anscheinend nicht.
Mitten in der Verhandlung musste ich gehen. Eigentlich hätte ich gar nicht dort im Gerichtssaal sein dürfen. Ich wartete draußen im Flur.
Nachdem die Journalisten über den Freispruch unterrichtet worden waren, sagte einer der Polizisten, die den Fall bearbeitet hatten, kopfschüttelnd zu mir: »Wissen Sie, jeder, der gegen Goto ausgesagt hat, wird verschwinden. Man wird einen nach dem anderen tot auffinden.«
Dann geschah etwas Unerwartetes. Goto kam mit seinem Leibwächter aus dem Gerichtssaal und ging zum Aufzug. Er nahm nicht den Hinterausgang, aber es warteten auch keine Publikumsmassen auf ihn. Kein einziger Reporter versuchte, mit ihm zu reden. Natürlich sahen ihn alle an, aber keiner wollte ihm folgen. Sobald jedoch sein Anwalt auftauchte, liefen alle schnellstmöglich zu ihm hin, fort von Goto. Und einen kurzen Augenblick lang standen nur ich, Goto und sein Bodyguard vor dem Aufzug. Es war das erste und letzte Mal, dass ich diesem Mann von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand.
Und zum ersten Mal verstand ist, warum er so mächtig war. Er war nicht beleibt, muskulös oder imposant, doch wenn er einem in die Augen sah, hatte man das Gefühl, seine Hand an der Gurgel zu spüren. Als er mich erkannte, formten seine Lippen einige japanische Worte, eine hörbare Drohung wollte er wohl nicht ausstoßen. Aber mir kam es auf jeden Fall wie eine Drohung vor, doch ich bin in keiner Sprache ein guter Lippenleser. Also antwortete ich ebenfalls nonverbal – mit einem einzigen Finger. Das war alles, was wir einander zu sagen hatten.
Nachdem der Leibwächter seinen wütenden Chef in den Aufzug geschoben hatte, folgte ich der Reportermeute zu seinem Anwalt, Yoshiyuki Maki, einem ehemaligen Staatsanwalt.
Er strich sich über das grau gesprenkelte Kinn und faselte etwas darüber, wie ungerecht die Verhaftung seines Mandanten und die Anklage gegen ihn waren. Außerdem machte er deutlich, dass sein Mandant jede Zeitung verklagen könne, die ihn als Straftäter hinstelle. Durch Maki legte Goto so der ohnehin gefügigen Presse einen Maulkorb an.
»Die gesetzwidrige Verhaftung und der lange Prozess waren für Goto-san die Hölle. Ich denke, die Medien sollten ein wenig Rücksicht darauf nehmen, was mein Mandant alles durchlitten hat.«
Ich konnte diesen Quatsch nicht länger ertragen und hob die Hand, um eine Frage zu stellen. Doch es wurde eher eine Schimpftirade als eine Frage, was nicht gerade sehr professionell von mir war. In einem Gerichtsgebäude sollte man nicht über Recht und Unrecht diskutieren. Und man sollte die Anwälte der Yakuza nicht beschuldigen, selbst Verräter und Verbrecher zu sein, schließlich tun sie auch nur ihre Pflicht. Aber es fiel mir doch sehr schwer, die Sache objektiv zu betrachten. Ich fand auch, dass der Anwalt dadurch alle Opfer beleidigte. Wenn es unter den Yakuza jemanden gab, der es verdient hatte zu leiden, dann war es Goto.
»Entschuldigen Sie bitte, aber was meinen Sie mit durchleiden? Dieser Mann gehört einer Organisation an, die Menschen ermordet, Drogen verkauft, Kinderpornografie verbreitet und ausländische Frauen sexuell ausbeutet. Warum sollte jemand auch nur einen Gedanken daran verschwenden, ob er leidet? Und wie können Sie als ehemaliger Staatsanwalt so etwas
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