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Tokio Vice

Titel: Tokio Vice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jake Adelstein
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treffen. Das müssen Sie unbedingt ablehnen.«
    »Warum?«
    »K. ist ein guter Zeichner mit einem ausgezeichneten fotografischen Gedächtnis. Manchmal kann man einen Menschen anhand einer Zeichnung sogar noch leichter identifizieren. Wenn Sie ihn treffen, hängt bald ein hübsches Porträt von Ihnen in Gotos Hauptquartier. Und die Typen, die er Ihnen auf den Hals hetzt, haben dann eine Kopie in Brieftaschengröße dabei.«
    »Toll. Und was soll ich jetzt tun?«
    »Schreiben Sie diesen verdammten Artikel, und hören Sie auf herumzuschnüffeln. Nehmen Sie Goto das Motiv, Sie umzubringen. Ganz einfach. Dann können Sie mich in diese Strip-Bar mit den vielen weißen Miezen einladen. Das schulden Sie mir, Adelstein.«
    Asako lachte. »Jake, ich wusste ja gar nicht, dass du solche Lokale frequentierst.«
    Alien Cop grinste. »Dann kennen Sie ihn aber nicht sehr gut.«
    Irgendwann an diesem Abend gingen Alien und ich hinaus, um zu rauchen, und er fragte mich, wie es mir wirklich gehe.
    »Ganz gut.« Mehr konnte ich nicht sagen.
    »Ich habe mich wegen Ihrer Freundin umgehört.«
    »Und?«
    »Nichts. Die Bar, in der sie gearbeitet hat, wurde durchsucht, so im Februar 2006. Sie haben ohne Gaijin -Mädchen neu eröffnet. Ich habe versucht, sie zu finden. Die Einwanderungsbehörde schuldete mir noch einen Gefallen. Aber so viel die wissen, hat keine Frau namens Helena das Land verlassen. Hat sie vielleicht einen anderen Namen? Oder eine doppelte Staatsbürgerschaft?«
    »Nicht dass ich wüsste.«
    »Haben Sie mit ihr geschlafen?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Weil sie eine gute Freundin war. Ich meine, sie ist eine gute Freundin.«
    »Sie waren mit ihrem Beruf nicht einverstanden?«
    »Nein, das ist es nicht.«
    »Schlafen Sie überhaupt mit irgendwelchen anderen Frauen?«
    »Ich bin ein Gentleman. Diese Frage würde ich schon aus Prinzip nicht beantworten.«
    »Ich hatte recht, oder?«
    »Womit?«
    »Sie wissen schon.«
    »Ach so, ja. Die Grundsätze. In einem Punkt haben Sie sich geirrt.«
    »Und der wäre?«
    »Es ist kein schlüpfriger Abhang, sondern eine verdammte Wasserrutschbahn.«
    »Nun ja, Jake, manchmal müssen Sie Gift eben …«
    »… mit Gift bekämpfen. Ich kenne das Sprichwort.«
    »Sie tun, was Sie tun müssen, um Ihre Arbeit zu beenden. Darauf kommt es letztlich an. Verstehen Sie?«
    »Klar«, versicherte ich ihm. Er war zwar nicht Sekiguchi, aber auf seine Art klug. Vielleicht kein guter Polizist, aber ein guter Mensch und ein guter Freund. Er setzte für mich seine Karriere aufs Spiel, dadurch dass er mir all das erzählte. Ich war mich nicht sicher, ob ich sein Wohlwollen verdiente, aber ich war sehr froh darüber.
    Wir tranken noch bis halb zwölf, dann gingen alle nach Hause. Als sie weg waren, goss ich mir einen Drink ein, zündete eine Zigarette an, legte ein paar Miles-Davis-Platten auf und dämpfte das Licht. Dann dachte ich nach.
    Wer allein trinkt, weiß, dass er Probleme hat. Die ganze Welt schien tot zu sein, die einzigen Geräusche waren das Knistern der Zigaretten, der Wind, der an den Jalousien rüttelte, und die Klänge der CDs.
    Ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nie einsamer gefühlt.
    Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag in die Magengrube: Ich hatte jeden Menschen, den ich mochte, liebte oder auch nur kannte, in Gefahr gebracht. Jeder, den ich auch nur irgendwann mit diesem verdammten Telefon angerufen hatte, war jetzt ein potenzielles Druckmittel für einen Mann, der sich nicht scheute, Menschen als Mittel zum Zweck zu benutzen.
    Ich musste mit jemandem reden. Da ich ein wenig betrunken war und nicht mehr klar denken konnte, rief ich Sekiguchis Handy an. Die Nummer hatte ich immer noch gespeichert. Erst nach einigen Klingelzeichen fiel mir ein, dass er nicht antworten konnte. Ich hatte keinen Mentor mehr. Niemanden, der mir einen guten Rat geben konnte. Ich war auf mich selbst angewiesen.
    Was würde Sekiguchi in meiner Situation tun?
    Zuerst würde er die Lage analysieren. Also tat ich das. Sie war nicht gerade erfreulich.
    Die meisten Yakuza lassen normale Bürger in Ruhe, das sollen sie zumindest. Denn es gilt nicht als ehrenhaft, auf die Frau, die Freundin oder den besten Freund eines Mannes loszugehen, den man nicht leiden kann. Kein echter Yakuza vermöbelt den Bruder einer Zielperson, er schlägt die Zielperson selbst zusammen.
    Aber Tadamasa Goto war ein Yakuza anderer Art. Er stand im Ruf, skrupellos alles niederzumachen. Und dieser verdammte Cop hatte ihm dazu alle

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