Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tokio Vice

Titel: Tokio Vice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jake Adelstein
Vom Netzwerk:
Polizeibehörde der Präfektur Osaka bestätigt diesen Befund. »Seit 1992 die Gesetze gegen das organisierte Verbrechen erlassen wurden, hat sich die Zahl der Yakuza kaum verändert. Es sind seit 16 Jahren etwa 80 000. Aber sie haben mehr Geld und mehr Macht denn je, und die Yamaguchi-gumi hat heute einen enormen Einfluss in vielen Bereichen. Sie ist in mancher Hinsicht die LDP des organisierten Verbrechens und arbeitet nach dem Motto ›In der Anzahl liegt die Macht‹. Sie hat Kapital, Personal und ein Informationsnetz, das sich mit dem der Polizei messen kann, und sie breitet sich in jede Branche aus, in der Geld zu verdienen ist.«
    Früher ließen die Yakuza die Normalbürger in Ruhe, doch das ist lange her. Heute ist niemand mehr vor ihnen sicher, nicht einmal Journalisten – oder deren Kinder.
    Wie viele andere Reporter auch schrieb ich einige Zeit über die Yakuza, ohne wirklich Kontakt zu ihnen gehabt zu haben. Das änderte sich sehr schnell, als Naoya Kaneko, genannt »The Cat«, die Nummer zwei der Sumiyoshi-kai von Saitama, anrief und bei »The Face« die Nachricht hinterließ, dass er mich sprechen wolle. Nervös fragte »The Face«, als er mir die Nachricht ausrichtete: »Du hast doch keinen
Ärger, oder? Warum will die Sumiyoshi-kai dich sprechen?«
    Ich erwiderte, dass ich meines Wissens nicht in Schwierigkeiten sei und auch keine Ahnung habe, warum der Kerl mit mir reden wolle. Zunächst wollte ich Yamamoto fragen, wie ich vorgehen sollte, doch dann überlegte ich es mir anders. Denn er würde wahrscheinlich anordnen, den Anruf zu ignorieren, oder würde einen älteren Kollegen beauftragen, mich zu begleiten.
    Damals war ich regelmäßig Gast in der »Maid Station«, wo ich angeblich einigen Angestellten nach Feierabend Englischunterricht gab. Die »Maid Station« war eine Art »Gesundheitsclub« für Erwachsene. Die Mädchen dort waren wie Dienstmädchen gekleidet, nannten die Kunden Herr und badeten, massierten und befriedigten sie. Fünf von ihnen wollten Urlaub in Australien machen, und ihr fürsorglicher Arbeitgeber, den ich kennengelernt hatte, als er in Saitama Taxi gefahren war, arrangierte Privatunterricht für sie. Und der Lehrer war ich.
    Der Club befand sich in Minami Ginza, im Herzen des Sumiyoshi-kai-Reviers. Warum hatte Kaneko wohl angerufen? Hatte ich mich in seinem Revier schlecht benommen? Wollte er mich erpressen? Aber womit? Ich war Junggeselle, und in den Neunzigerjahren war eine Sexmassage in Saitama so japanisch wie Sushi.
    Ich wusste wirklich nicht, was ich tun sollte, aber mein Polizeiinformant versicherte mir, dass Kaneko nicht gefährlich sei und es für mich als Reporter sogar vorteilhaft sein könne, ihn zu kennen. Also rief ich Kanekos Büro von einer öffentlichen Telefonzelle aus an.
    Der Typ, der ans Telefon ging, sprach laut und war offenbar schlecht gelaunt. Als ich meinen Namen nannte, trat eine längere Pause ein –
offenbar dachte er darüber nach, wie er mich ansprechen sollte. Ich musste meinen Namen sieben Mal wiederholen. Dann sprach der Mann mit Kaneko, und das hörte sich etwa so an: »He, da ist ein verdammter gaijin am Telefon. Er sagt, er sei Reporter. Kennen Sie diesen Idioten?«
    Kaneko schnauzte ihn an: »Halt die Sprechmuschel zu und behandle den Mann mit Respekt. Ich habe auf seinen Anruf gewartet.«
    Ich hatte mir Kaneko als bedrohlich wirkenden, undeutlich sprechenden Schläger mit Reibeisenstimme vorgestellt. Aber als er ans Telefon ging, klang seine Stimme erstaunlich sanft. »Sie sind also Jake«, begann er. »Tut mir leid, dass ich Sie im Büro angerufen habe. Aber ich wusste nicht, wie ich Sie sonst erreichen kann. Und bitte verzeihen Sie meine Mitarbeiter, sie sind grob, unhöflich und schlecht erzogen. Bitte stören Sie sich nicht daran.«
    »Äh, natürlich nicht. Was kann ich für Sie tun?«
    »Ich habe ein ungewöhnliches Problem. Es ist etwas heikel, und ich hoffe, dass Sie mir helfen können, es zu lösen.«
    »Nun ja, eigentlich ist es nicht meine Aufgabe, Probleme für Yakuza zu lösen.«
    »Selbstverständlich nicht. Mir ist auch klar, dass ich Sie in eine schwierige Lage bringe. Aber ich würde sehr gerne mit Ihnen über diese persönliche Angelegenheit sprechen. Es könnte sich auch für Sie lohnen.«
    »Es wäre mir ein Vergnügen. Aber annehmen kann ich nichts von Ihnen.«
    »In Ordnung. Wann würde es Ihnen passen?«
    »Wir wäre es morgen nach dem Mittagessen?«
    »Gut. Vielen Dank. So finden Sie mich: ... Falls Sie sich

Weitere Kostenlose Bücher