Tokio Vice
brauchte ich nicht zu sehen, also gingen wir zurück auf die Straße.
Um ein Uhr morgens waren einige chinesische Prostituierte auf den Straßen unterwegs. Ihnen war anscheinend egal, ob ich Japaner war oder nicht, daher musste ich ständig eine von ihnen abwehren.
Gegen zwei Uhr führte Alien mich in ein Shabu-shabu- Restaurant, in dem halbnackte junge Frauen am Tisch des Gastes Rindfleischgerichte zubereiteten und dann mit ihm flirteten, während er aß. Auch darauf konnte ich gut verzichten.
»Jetzt habe ich es kapiert. Aber was ist noch verboten, außer normalem Geschlechtsverkehr?«
»Nicht viel. Harte Pornografie. Unzensiertes Zeug.«
»Es ist also illegal, Pornografie zu verkaufen, die Oralsex zeigt, sich einen blasen zu lassen, ist aber erlaubt?«
»Ja, genau, Sie kapieren schnell. Man darf es tun, aber man darf nicht zusehen.«
»Und was macht die Polizei?«
»Nun ja, ab und zu müssen wir Lokale schließen, die offen
Geschlechtsverkehr anbieten. Irgendwo müssen wir eine Grenze
ziehen.«
»Aber wäre es nicht einfacher, auch normalen Sex zu erlauben? Schließlich ist fast alles andere doch legal.«
»Ich glaube, dass das Verbot des normalen Geschlechtsverkehrs die anderen Angebote noch interessanter macht. Es zwingt die Leute, neue erotische Abenteuer zu erforschen. Neben der Standardmethode gibt es da noch viele andere Möglichkeiten.«
Nach dem Essen wollte ich mit einem Taxi nach Hause fahren, aber Alien hatte noch Pläne. Er führte mich in einen koreanischen Massagesalon mit Sauna und versicherte mir, dass hier alles legal war. »He, ich will weder Sie noch mich in Schwierigkeiten bringen. Ich komme gelegentlich hierher. Koh-san wird sich um Sie kümmern. Das ist mein Dessert für Sie.«
Ich wurde in einen kleinen fensterlosen Raum geführt, in dessen Mitte ein Massagetisch stand, an der Wand gab es ein Regal mit verschiedenen Ölen, einem Korb für die Kleider, einigen Vibratoren, einer Flasche Alkohol zum Einreiben, Baumwolldecken und Handtüchern.
Koh-san trug eine beige Schwesternuniform, lange weiße Latexhandschuhe und eine Metallrandbrille mit runden Gläsern. Ihr Japanisch war ziemlich gut. Auf ihr Geheiß zog ich mich aus und legte mich auf den Tisch. Sie massierte mich 20 Minuten lang mit einem sehr klebrigen, klaren Massageöl. Zunächst lag ich auf dem Bauch, dann sollte ich mich umdrehen. Das wollte ich aber nicht, doch sie lachte nur und rollte mich auf den Rücken. Kichernd kommentierte sie meine Anatomie, bat mich zu warten und rief zwei ihrer Kolleginnen, damit sie mich bestaunen konnten. Die Frauen unterhielten sich auf Koreanisch oder Chinesisch und kicherten erneut. Dann gingen sie. Ich fing das Wort katsurei auf, das »beschnitten« bedeutet.
Der Rest der Massage war zwar nicht entspannend, aber auch nicht unangenehm. Nach den vereinbarten 40 Minuten wollte ich aufstehen, aber sie ließ es nicht zu. »Massage nicht vorbei. Bitte warten. Entspannen.« Dann packte sie mit einer Hand meinen Penis und steckte mir einen Finger der anderen Hand in den After.
Wollte Alien Cop meinen Sinn für Humor oder meine Neugier testen? Würde ich ihn beleidigen, wenn ich diesen Service ablehnte? Lange konnte ich nicht darüber nachdenken. Nach meinem Orgasmus schob Koh mich in die Dusche, danach zog ich mich an und ging ins Foyer, wo Alien wartete.
Er strahlte und ich dankte ihm für die gute Masseuse. Was hätte ich auch sonst tun sollen?
»Schon in Ordnung. Jetzt verstehen Sie, worum es in Kabukicho geht. Um sexuelle Lust. Sie wird verkauft und befriedigt. Solange die Salons die Grenze nicht zu weit überschreiten, dürfen sie tun, was sie wollen. Unsere Aufgabe besteht nicht darin, diese Lokale zu schließen, sondern sie zu überwachen.«
Ich nickte. Dann hatte Alien noch eine Frage an mich: »Mögen Sie Japanerinnen?«
»Ja, schon, ich habe sogar eine Japanerin geheiratet.«
»Mir geht es genauso.«
»Sie mögen Japanerinnen?«
»Nein, ich mag Ausländerinnen. Blonde und rothaarige. Könnten Sie mir vielleicht eine vorstellen? Ich begegne nicht vielen Ausländerinnen – jedenfalls nicht von der Sorte, mit der man sich verabreden möchte.«
Darum ging es also. Ich versprach, mein Möglichstes zu tun, und ich tat es. Das war der Beginn einer langen Partnerschaft, wenn man es so ausdrücken will. Alien Cop war auch der Mann, dem ich den ersten und vielleicht einzigen Knüller im vierten Bezirk verdankte.
Gegen fünf Uhr morgens kam ich nach Hause, Sunao erwartete mich
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