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Tokio Vice

Titel: Tokio Vice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jake Adelstein
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Déjà-vu-Erlebnis. Manche Dinge ändern sich eben nie.
    Es war ziemlich eindeutig, warum dieser Geldautomat ausgeraubt worden war. Er stand in einem kleinen Verschlag in einer Ecke eines Parkplatzes, gleich neben eine Bushaltestelle. Von der Straße aus war er sehr gut zu sehen, und es gab nichts, was einen Bagger hätte behindern können. Ein kurzer Blick auf die Überreste zeigte mir, dass der Automat an drei Stellen mit dünnen Metallplatten befestigt gewesen war. Die Gauner waren mit sechs Millionen Yen (etwa 60 000 Dollar) entkommen.
    Schließlich fand ich auf der anderen Straßenseite eine Augenzeugin, die kleine Frau Ishikawa, die ihre Tür allerdings erst öffnete, nachdem ich ihr meine Visitenkarte, meinen Ausweis mit Foto und einen Artikel über mich in einer Yomiuri -Broschüre gezeigt hatte. Dann erzählte sie:
    »Ich hörte ein lautes Geräusch und dachte, dass es ein Erdbeben sei, weil der Boden bebte. Aber dann fiel mir ein, dass in unserer Straße gebaut wird, und ich dachte, dass sie an diesem Tag sehr, sehr früh angefangen hatten. Dann hörte ich wieder Lärm, und auch mein Mann stand auf, um aus dem Fenster zu schauen. Da sah er, wie zwei Männer mit einem großen Bagger den Geldautomaten aus dem Boden rissen und in Stücke schlugen. Natürlich rief mein Mann sofort die Polizei, aber bis die kam, war nur noch ein Haufen Schrott übrig. Die Männer hatten den Safe in einen weißen Kombi geladen und waren weggefahren.
    Ich war überrascht, aber mein Mann, der jeden Tag Zeitung liest, hatte von diesen Diebstählen gelesen. Ich denke, die Verbrecher waren sehr schlau oder hatten viel Glück, weil alle Leute in der Gegend glaubten, der Lärm komme von der Baustelle, und weil niemand daher schneller die Polizei rief.«
    Lokalkolorit, zitierfähig, gut.
    Den Polizeichef von Yoshikawa kannte ich gut. Er war früher stellvertretender Leiter des Morddezernats von Saitama gewesen. Nachdem wir uns begrüßt hatten, gab er zu, dass die Diebstähle in seinem Bezirk ihm äußerst peinlich waren. Die Polizei hatte 15 Geldautomaten als potenzielle Ziele der Diebe ausgemacht, aber derjenige, den sie geplündert hatten, stand nicht auf dieser Liste. Einige Beamte hatten sogar einen anderen Geldautomaten beobachtet, während dieser hier geknackt wurde. Da die Polizei von Yoshikawa an Personalmangel litt und für ein 78 Quadratkilometer großes Gebiet zuständig war, zu dem zwei Großstädte und eine Kleinstadt gehörten, fand ich es nicht überraschend, dass die Gangster fliehen konnten. Trotzdem hatte er ein schlechtes Gewissen.
    Nach getaner Arbeit hielt ich es für eine gute Idee, Sekiguchi-san und seine Familie zu besuchen, wenn ich schon in Saitama war. Daher meldete ich mich telefonisch an, informierte meinen Fahrer, und schon waren wir unterwegs in den Norden von Saitama. Es war jetzt zehn Jahre her, dass ich Jungreporter in Saitama gewesen war, aber Sekiguchi war immer noch mein Mentor, und seine Familie behandelte mich wie ein Mitglied. Es war schön, sie endlich wiederzusehen.
    Gegen sieben Uhr abends kamen wir am Haus an, und ich fühlte mich sofort in die gute alte Zeit zurückversetzt. Alle begrüßten mich herzlich. Sekiguchi und seine Frau sahen großartig aus, die zwei Töchter hatten sich allerdings sehr verändert, denn sie waren keine kleinen Grundschülerinnen mehr.
    Obwohl man bei Sekiguchi vor Kurzem Krebs diagnostiziert hatte, war er guter Dinge und schwärmte davon, wie sehr er sich freue, wieder richtige Ermittlungsarbeit leisten zu können. Wir lachten, knabberten etwas und plauderten. Sekiguchi sprach über seinen letzten Fall, den die Staatsanwaltschaft ihm entzogen hatte. Die Ermittlungen waren aus politischen Gründen eingestellt worden. Es hatte etwas mit dem Gouverneur zu tun. Einige Dinge ändern sich eben nie.
    Sekiguchi und ich rauchten an diesem Abend nicht, denn er versuchte, es sich abzugewöhnen.
    Um 22.30 Uhr war ich wieder in Tokio und fuhr sofort nach Edogawa, wo ich einen nordkoreanischen Japaner treffen sollte, den Präsidenten einer Firma, die Industriemüll beseitigte.
    Die Japaner haben Korea während des Krieges besetzt, und nach dem Krieg blieben viele Koreaner, die als Zwangsarbeiter ins Land gekommen waren, in Japan. Später teilten sie sich in zwei Gruppen: Die eine sympathisierte mit Südkorea, die andere mit Nordkorea. Die nordkoreanischen Japaner haben ihr eigenes Schulsystem und eine Art Lokalverwaltung. Und dieser Mann saß im Verwaltungsrat.
    Nordkoreaner

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