Tokio
vorgehaltener Hand zu und rutschte neben mich. »Die da, die immer Trinkgeld geben. Für ihre Lieblingsmädchen. Mama wird aufpassen, ob du Trinkgeld kriegen. Das deine Probe, Baaa-by!«
Ich wurde diskret gerufen, zusammen mit den Russinnen und drei Japanerinnen, und an einen Tisch neben dem Pa-noramafenster geschickt, wo wir uns artig aufstellten, unsere Hände sittsam auf den Rückenlehnen der Stühle, und darauf warteten, dass die Männer zu uns kamen. Ich ahmte die anderen nach, trippelte erwartungsvoll von einem Fuß auf den anderen, während ich wünschte, ich könnte meinen Rock weiter herunterziehen. Aus dem Nichts tauchte ein Schwärm von Kellnern auf und deckte den Tisch eilig mit schneeweißem Leinen, einem silbernen Kerzenhalter und funkelnden Gläsern. Sie waren gerade rechtzeitig damit fertig, als die Männer den Tisch erreichten, sich hinsetzten und ihre Jacketts aufknöpften.
»Irasshaimase«, sagten die Japanerinnen und verbeugten sich, bevor sie anmutig auf ihren Stühlen Platz nahmen und dampfende Handtücher von dem Bambusteller nahmen, der auf dem Tisch auftauchte.
»Willkommen«, murmelte ich und folgte dem Beispiel der
anderen.
Eine Flasche Champagner und einige Flaschen Scotch wurden serviert. Ich zog meinen Stuhl ein Stück vor, schaute mich in der Runde um und wartete ab, was ich jetzt tun sollte. Die Hostessen befreiten die heißen Handtücher aus ihren Plastikhüllen, entfalteten sie in die wartend ausgestreckten Hände der Männer. Also tat ich es ihnen eilig nach und legte eins in die Hände des Mannes zu meiner Linken. Er bedankte sich nicht, nahm das Handtuch, wischte sich die Hände ab, warf es achtlos vor mir auf den Tisch und wandte sich ab, um mit der Hostess auf der anderen Seite zu sprechen. Die Regeln waren klar: Meine Aufgabe war es, Zigaretten anzuzünden, Whisky einzuschenken, die Männer mit Knabbereien zu versorgen und sie zu unterhalten. Kein Sex. Nur Konversation und Schmeichelei. Es stand alles zum Nachlesen für die Hostessen auf einer laminierten Karte gedruckt. »Du sag besser komische Sachen«, hatte Mama Strawberry mir zugeflüstert.
»Strawberrys Kunden wollen sich amüsieren.«
»Hallo«, sagte Svetlana keck und quetschte sich auf eine der Sitzbänke, wo sie wie ein Riese zwischen den Männern aufragte. Sie bewegte ihr Hinterteil hin und her wie eine brütende Henne, so dass alle zur Seite rutschen mussten, um ihr Platz zu machen. Als sie schließlich saß, griff sie sich ein Glas von der Mitte des Tisches und stieß damit klirrend die Flasche an. »Shampansky, Darling. Lecker, lecker!« Sie füllte großzügig vier Gläser, dann schwenkte sie die leere Flasche über ihrem Kopf, um beim Kellner eine neue zu bestellen. Die Männer schienen die Zwillinge zu mögen. Sie sangen
ihnen immer wieder Melodien vor, die aus Fernsehen oder
Radio stammen mussten, da ich sie nicht kannte: »Double
the pleasure, double the fun ... give me that little LIFT. Come and get you SOME!« Alle lachten und klatschten, und die Unterhaltung, eine Mischung aus Japanisch und gebrochenem Englisch, setzte wieder ein. Die Zwillinge waren schnell betrunken. Svetlanas Wimperntusche verlief, und Irina sprang unentwegt auf, um die Zigaretten der Männer mit einem ThaiAir-Feuerzeug anzuzünden, wobei sie sich über den Tisch beugte und kleine Schüsseln mit Seetang und getrocknetem Tintenfisch umstieß. »Bringt mich nicht so zum Lachen«, quietschte sie, wenn jemand einen Witz erzählte. Sie war ganz rot im Gesicht und lallte. »Wenn ich noch mehr lache, explodiere ich.«
Ich saß stumm da, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, und tat so, als wäre dies alles ganz normal, als hätte ich das hier schon tausendmal getan und als würde es mir wirklich nichts ausmachen, dass niemand mit mir redete, dass ich die Witze nicht verstand und die Lieder nicht kannte. Gegen einundzwanzig Uhr, gerade als ich dachte, dass ich mich den ganzen Abend über still verhalten könnte und sie vielleicht vergessen würden, dass ich da wäre, sagte plötzlich jemand:
»Und was ist mit dir?«
Schlagartig herrschte Schweigen am Tisch. Ich schaute auf und stellte fest, dass alle mitten in ihren Unterhaltungen verstummt waren und mich neugierig anstarrten. »Was ist mit dir?«, wiederholte jemand. »Was denkst du?«
Was dachte ich? Ich hatte keine Ahnung. Ich hatte meine
Gedanken abschweifen lassen, hatte über die Frage sinniert, ob die Väter dieser Männer, ihre Onkel oder Großväter in China gewesen waren.
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