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Tokyo Love

Tokyo Love

Titel: Tokyo Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hitomi Kanehara
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weiter, bis der Manager nach uns rief. Nach einem letzten Schluck Bier kaschierten wir unsere Fahne mit Mundspray und gingen zurück in die Halle.
    Nach zwei Stunden Party hatte ich etwa dreißig Visitenkarten von irgendwelchen Karrieretypen eingeheimst, die ich im Anschluß mit Yuri durchforstete.
    »Hier, das klingt doch toll: Direktor«, quietschte Yuri begeistert, als sie die Karten nach beruflichem Status sortierte.
    »Aber ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wie der Typ aussah. Wahrscheinlich irgend so ‘n alter Knacker.«
    Ehrlich gesagt, hatte ich nicht das geringste Interesse an solchen Anzugträgern in gehobenen Positionen, und jene vermutlich ebensowenig an einem Barbiegirl mit gepiercter Zunge.
    Als braves japanisches Mädchen, das ich hier spielte, ergatterte ich zwar bei jeder Veranstaltung einen Haufen Visitenkarten, aber es war eben nur eine Rolle. Mit einer split-tongue würde ich den Job wohl an den Nagel hängen müssen. Sehnsüchtig betrachtete ich meine Zunge im Spiegel. Ich konnte es kaum abwarten, das Loch zu weiten.
    Wir zogen die gleiche Chose noch mal in einem anderen Hotel durch und hatten dann gegen zwanzig Uhr Feierabend. Nachdem ich mit Yuri bei der Agentur vorbeigegangen war, um unser Honorar zu kassieren, traten wir gemeinsam den Heimweg an. Als mein Handy klingelte, reckte sie erneut den Daumen und grinste sich einen. Amas Name erschien auf dem Display. Ich hatte ihm eigentlich eine Notiz hinterlassen oder eine SMS schicken wollen, es dann aber total verschwitzt.
    »Hallo? Lui? Sag mal, wo steckst du denn? Was machst du?« Mit weinerlicher Stimme bombardierte Ama mich mit nörgelnden Fragen.
    »Ach Mensch, tut mir echt leid. Ich mußte überraschend zu einem Hostessenjob. Bin aber schon auf dem Weg zu dir.«
    »Was soll das, Lui? Wieso gehst du arbeiten? Und dann noch als Hostess?«
    »Jetzt mach aber mal halblang. Es ist eine ganz seriöse Agentur, nichts Anstößiges.«
    Yuri versuchte krampfhaft, sich das Lachen zu verbeißen, als sie mitbekam, wie ich vor Ama und seinem bohrenden Verhör kuschte. Als ich endlich das Gespräch beendete, nachdem ich mich mit ihm am Bahnhof verabredet hatte, prustete Yuri los.
    »Mensch, der Typ hat dich ja ziemlich fest im Griff, was?«
    »Ach, der ist noch ein halbes Kind. Ziemlich abgedrehter Freak.«
    Das sei doch süß, meinte Yuri und stupste mich.
    Schön wär’s, wenn der einfach bloß süß wäre, dachte ich seufzend. Vor dem Bahnhof trennten wir uns, und ich fuhr den Rest des Weges mit der Bahn. Die Fahrt dauerte zwanzig Minuten. An der Station angekommen, sprang ich leichtfüßig die Treppe hoch. Als ich Amas Gestalt jenseits der Fahrkartensperre erblickte, winkte ich ihm zu. Er winkte zurück, blickte aber ziemlich jämmerlich aus der Wäsche.
    »Ich kam von der Arbeit nach Hause, und du warst einfach weg. Keine Nachricht, kein gar nichts. Ich dachte schon, du hättest mich verlassen. Ich bin fast gestorben, solche Sorgen habe ich mir gemacht«, brach es aus Ama heraus, als wir in einem Grillimbiß eingekehrt waren und Bier bestellten.
    »Na ja, jetzt ist doch alles wieder gut. Und wir können im Luxus schwelgen.«
    Ama löcherte mich weiterhin mit Fragen, was für ein Job das wäre, und als ich ihn endlich davon überzeugen konnte, daß es keine zwielichtige Tätigkeit sei, hellte sich seine Miene wieder auf, und er grinste wie üblich.
    Wie gern würde er mich doch mal in einem Kimono sehen, sagte er und quetschte dabei eine Zitronenhälfte auf meinem Teller aus.
    Unser Abendessen war ein wahrer Festschmaus: Das Fleisch schmeckte köstlich zu dem erfrischenden Bier. Ich hatte zwar nicht den geringsten Bock, arbeiten zu gehen, aber das Bier mundete danach am Feierabend einfach um so besser. Es war der einzige Lichtblick bei der ganzen Sache. Ich war supergut gelaunt, machte Ama wegen seines neuen Looks Komplimente und lachte sogar hin und wieder über seine blöden Witze. Die Welt schien in bester Ordnung: Amas Haare waren aschgrau, und er lachte vor lauter Glückseligkeit. Es gab nicht die geringste negative Schwingung.
     
    Diese verdammte Hitze! Es war immer noch brütend warm, obwohl der Sommer bereits zur Neige ging. Drei Wochen waren vergangen seit dem Tag, als Shiba-san mir den Entwurf für das Kirin-Motiv gezeigt hatte. Und heute hatte er sich nun überraschend wieder gemeldet. Er habe wahnsinnig viel Mühe beim Zeichnen der Vorlage gehabt, sagte er und erklärte mir ausführlich, weshalb es solch eine Puzzlearbeit gewesen

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