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Tokyo Love

Tokyo Love

Titel: Tokyo Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hitomi Kanehara
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zu sein, sondern döste die ganze Zeit vor sich hin. Zugegeben, ein bißchen tat es mir ja leid für ihn, aber schließlich diente das hier seinem Wohl. Als ich die Farbe vollständig aufgetragen und seinen Schopf in Folie gewickelt hatte, lächelte er mich mit leerem Blick an.
    »Danke, Lui!«
    Einen Moment lang war ich drauf und dran, ihm von dem Zeitungsartikel zu erzählen, doch dann beschloß ich, lieber den Mund zu halten, und steuerte ins Badezimmer, um mir die Hände zu waschen.
    »Meinst du, mit diesem Aschton bin ich jetzt ein hübscherer Typ?«
    »Ich habe nie behauptet, du würdest blöd aussehen«, rief ich, meinen Kopf aus der Badezimmertür herausstreckend. Ama lachte.
    »Für dich würde ich mich auch kahlscheren. Oder als Barbieboy rumlaufen, damit ich zu dir passe. Ich würde sogar meine Haut bleichen, wenn du es wünschst.«
    »Hör auf, so ‘n Quatsch zu erzählen.«
    Eigentlich sah er ganz passabel aus. Sein Blick war ein bißchen fies, aber ansonsten fiel er eher in die Kategorie gutaussehend. Klar, mit dem Tattoo und dem Gesicht voller Piercings ließ sich das natürlich nicht so ohne weiteres feststellen. Wenn ich ihm als Wildfremdem auf der Straße begegnen würde, hätte ich vermutlich gedacht, was für ein Jammer, sich so das Gesicht zu verhunzen. Dennoch, ich konnte es gut nachempfinden. Ich selbst will ja auch nur vom Äußeren her beurteilt werden. Ich stellte mir oft vor, wenn es auf der ganzen Erde keinen einzigen Ort ohne Sonnenschein geben würde, dann müßte ich eben selbst eine Technik erfinden, mich in ein Schattenwesen zu verwandeln.
    Als die Farbe etwa zehn Minuten eingewirkt hatte, fing Ama an zu zappeln und fragte immer wieder: »Fertig? … Fertig?« Seine Ungeduld war verständlich, aber das Zeug mußte nun mal so lange draufbleiben, bis nicht die geringste Spur von Rot mehr sichtbar war. Die neue Farbe wirkte dann noch mal über eine halbe Stunde ein, bis ich endlich die Folie abnahm und sein Haar mit der Hand durchrubbelte.
    »Was machst du da?« wollte er wissen.
    »Ich laß es oxidieren. Wenn Luft rankommt, wird die Farbe intensiver.«
    Nachdem ich mich davon überzeugt hatte, daß die Farbe nicht fleckig geworden war, erklärte ich ihm, wir seien nun fertig, und reichte ihm ein Handtuch. Ama rief »Okay« und lief aufgeregt ins Bad. Während er dort zugange war, las ich mir erneut den Zeitungsartikel durch. Ama war es nicht, ganz bestimmt hat er nichts mit der Sache zu tun, versuchte ich mir einzureden. Aber wieso machte ich mich dann hier halb verrückt, zumal ich ihn nicht mal sonderlich umwerfend fand?
    Als Ama aus dem Bad kam, fönte ich sein Haar trocken und stylte es anschließend. Mit den Augen klimpernd, lächelte er mir aus dem Spiegel zu.
    »Hör auf damit, das find ich blöd«, schalt ihn ich, worauf er sich mit aufgeblasenen Backen zu mir umwandte. Amas Haar hatte einen exzellenten Aschton. Geradezu perfekt. Nicht die leiseste Spur von Rot war mehr zu erkennen.
    »Ama, ab morgen wirst du nur noch langärmlige Sachen tragen.«
    »Wieso? Es ist doch noch warm draußen.«
    »Halt die Klappe! Mit deinem Tanktop halten dich die Leute noch für einen Gangster.«
    »Wenn du meinst.«
    Ama wirkte ganz geknickt. Sein Tattoo war einfach zu auffällig. Vielleicht erwähnte die Polizei es absichtlich nicht bei ihren Ermittlungen. Meine Phantasie ging wahrscheinlich mit mir durch. Aber trotzdem versuchte ich ihn mit aller Macht davon zu überzeugen, daß er nicht mehr in seinen Rowdy- Klamotten rumlaufen und sich das Haar wachsen lassen solle, um draußen auf der Straße unauffälliger zu wirken. Ama reagierte völlig entgeistert auf meine plötzlichen Anordnungen, willigte aber dennoch gehorsam ein und sagte: »Versprochen!« Dann nahm er mich fest in den Arm.
    »Für dich tue ich es gern.«
    Als er mich daraufhin ins Bett zog, sah er überhaupt nicht mehr wie ein Mörder aus. Also redete ich mir ein, Ama sei bloß ein alberner Vollidiot, der blöd durch die Gegend grinst. Als wir im Bett lagen, zog er mir das Kleid hoch und leckte an meinen Nippeln. Nach einer Weile ließen seine Zungenbewegungen nach, und ich hörte seinen schlummernden Atem. Ich zog mein Kleid wieder runter und löschte das Licht. Im Dunkeln, mit geschlossenen Augen, fing ich an zu beten. An wen sich das Gebet richtete, vermochte ich nicht zu sagen. Aber selbst Gott sollte mir recht sein. Ich merkte noch, wie mich ein tiefer Schlaf übermannte.
    Am nächsten Tag ergab es sich, daß ich meinen Job

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