Tokyo Love
stechenden Schmerz auf meiner Haut. Es war zwar nicht so schlimm wie befürchtet, aber sobald die Nadel ins Fleisch stach, zuckte ich jedesmal zusammen.
»Atme einfach tief aus, wenn ich steche, und wieder ein, wenn ich die Nadel absetze.«
Ich befolgte seine Anweisung, und so gelang es mir, den Schmerz zu ertragen. Shiba-san tätowierte Punkt für Punkt die Zeichnung auf meinen Rücken, bis endlich zwei Stunden später die Grundzüge beider Fabelwesen vollendet waren. Die ganze Zeit über sprach er kein einziges Wort. Hin und wieder schaute ich flüchtig zu ihm auf, doch er war völlig vertieft in seine Arbeit und bemerkte nicht einmal den Schweiß, der ihm von der Stirn tropfte. Nachdem er den letzten Nadelstich gesetzt hatte, tupfte er meinen Rücken mit einem Handtuch ab. Dann streckte er sich und massierte sich den Nacken.
»Ganz schön tough, du scheinst Schmerzen wirklich gut ertragen zu können. Die meisten jammern beim ersten Mal fürchterlich rum und schreien unentwegt Auaaua! «
»Hm, ich bin halt unempfindlich. Frigide, könnte man auch sagen.«
»Das kann ja wohl nicht sein! Neulich hast du jedenfalls ganz schön rumgestöhnt.«
Shiba-san zündete eine Zigarette an und nahm einen tiefen Zug, bevor er sie mir in den Mund schob. Dann holte er eine weitere aus dem Päckchen und rauchte sie selbst.
»Wie lieb du sein kannst«, zog ich ihn auf, worauf er lachte und meinte, der erste Zug sei sowieso der geilste.
»Finde ich nicht. Der zweite ist viel besser.«
Shiba-san grinste bloß, ohne weiter darauf einzugehen.
»Na, hast du Lust verspürt, mich zu töten?«
»Klar! Um mich davon abzulenken, habe ich mich voll und ganz auf das Tätowieren konzentriert.«
Ich lag immer noch bäuchlings auf der Liege und schnippte die Asche von der Zigarette in den Aschenbecher vor mir. Sie fiel widerstandslos ab und zerstob beim Aufprall in kleine Partikel, die sich rundherum zerstreuten.
»Falls du also einmal beschließt zu sterben, dann laß mich dich töten«, sagte er und legte seine Hand auf meinen Nacken. Ich lachte kurz auf und willigte mit einem Nicken ein. Er lächelte zurück und fragte: »Darf ich danach deinen Leichnam schänden?«
»Mir ist schnuppe, was mit meinem Körper geschieht, wenn ich tot bin«, entgegnete ich mit einem gleichgültigen Schulterzucken. Tote reden nicht.
Und was ist sinnloser, als sich nicht mehr äußern zu können? Insofern schien es mir völlig schleierhaft, warum die Leute Unsummen für Grabsteine ausgaben. Ich jedenfalls hatte kein Interesse an meinem Körper, wenn er nicht mehr von meinem Bewußtsein beseelt war. Es würde mir ebensowenig ausmachen, wenn Hunde meinen Leichnam fraßen.
»Aber ohne dein leidendes Gesicht würde ich wahrscheinlich gar keinen hochkriegen.«
Shiba-san griff in meine Haare und zog mich zu sich ran. Meine Halsmuskeln spannten sich von der abrupten Bewegung. Als Shiba-san mein schmerzverzerrtes Gesicht erblickte, packte er mich am Kinn und drehte es zu sich hoch.
»Willst du mir einen blasen?«
Ich nickte unwillkürlich. Derart überwältigt, vermochte ich weder ja noch nein zu sagen. Ich richtete mich auf und griff nach seinem Gürtel. Shiba-san packte meinen Hals und würgte mich so fest, daß ich meinte, er würde mich jetzt umbringen.
Dann nahm er mich von hinten, wohl um meinen Rücken zu schützen. Auch nachdem er längst gekommen war, ruhte sein Blick noch eine Weile auf meinem Rücken.
Den BH zog ich nicht an, da der Verschluß bestimmt auf dem wunden Tattoo scheuern würde. Ich streifte lediglich mein Kleid über. Shiba-san saß mit nacktem Oberkörper da und schaute mich unverwandt an. Ich suchte nach einem Mülleimer, um das Papiertuch, mit dem ich das Sperma abgewischt hatte, wegzuwerfen, als ich plötzlich ein leises Geräusch vernahm. Shiba-san schien es ebenfalls gehört zu haben, denn er schaute überrascht in Richtung Laden.
»Kundschaft? Hast du denn nicht abgeschlossen?«
»Hab ich total vergessen. Aber das Closed -Schild hängt an der Scheibe.«
Er hatte kaum zu Ende gesprochen, als die Ladentür aufging.
»Lui? Ich bin’s!«
»Ah, wir sind gerade fertig geworden. Mußt du gar nicht arbeiten?« fragte Shiba-san mit gespielter Unschuld. Nicht auszudenken, wenn Ama zehn Minuten früher aufgekreuzt wäre.
»Ich habe einfach gesagt, ich hätte Verstopfung, und durfte dann eher Schluß machen.«
»Wie?! Die lassen dich echt wegen so was wie Verstopfung weg?«
Ungläubig schüttelte ich den Kopf.
»Na ja,
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