Tolle Maenner
Tracie sie an. »Ich nenne ihn in letzter Zeit nur noch undankbar.«
Tracie konnte einfach nicht fassen, dass er sich einen Termin hatte geben lassen. Sie konnte auch nicht fassen, dass er für solche Sachen Zeit hatte, aber keine, um sie anzurufen. In diesem Augenblick ging die Tür auf – und herein kam Beth. Das Haar in einer Art farbiger Schlammpackung an den Kopf geklatscht, trat sie in das reinweiße Allerheiligste.
»Keine Unterbrechungen, ich schneide«, knurrte Stefan.
»Nicht zu kurz«, erinnerte ihn Tracie. »Beth, was machst du denn hier?« Wie viele Leute konnten sich von der Arbeit abseilen, ohne dass die Times dichtmachen musste – und waren sie eigentlich alle hier? Saß Allison vielleicht gerade bei der Kosmetikerin, während Sara zur Pediküre da war und Marcus eine Dauerwelle bekam?
Beth ignorierte Stefan und kam zu ihr. »Zur Zahnwurzelbehandlung werde ich wohl kaum hier sein.« Sie lächelte. Es war ein breites, fröhliches Lächeln. Tracie wappnete sich schon für die nächste Frage, bei der es mit Sicherheit um Jon ging, aber Beth setzte sich einfach nur auf den Boden.
»Keine Zuschauer bitte«, sagte Stefan, schwang seine Schere und schnipselte noch ein wenig von oben ab. Tracie schaute nervös von Laura zu Beth. Wenn er zu viel abschnitt, würden sie es ihr schon sagen. Zumindest hoffte sie das. Ganz ruhig, dachte sie. Stefan ist der einzige Mann in Seattle, dem du wirklich vertrauen kannst. Deshalb kommst du schließlich hierher, lässt dir seine Eigenheiten gefallen und zahlst seine unverschämten Preise. Trotzdem wünschte sie sich einen Spiegel.
»Beth, du solltest jetzt lieber gehen«, riet sie ihrer Freundin nervös.
»Ach was«, meinte Beth. »In Wirklichkeit macht es Stefan doch nichts aus.«
»Also, wie läuft die Sache mit Smartie?«, fragte Stefan.
»Sehr gut. Fast schon zu gut«, erzählte Tracie. »Mein Freund Jon hat viel Hilfe gebraucht, aber jetzt sieht er richtig gut aus.«
»Viel zu gut«, stimmte Beth ihr zu.
»Man kann zu reich oder zu dünn sein, aber nie zu gut aussehen«, belehrte Stefan sie.
»Er hat Recht.« Beth stöhnte.
»Ich dachte, du hasst ihn«, sagte Tracie. »Ist das nicht der Typ, der nie zurückruft?«
»Er hat mich ja zurückgerufen, kurz nachdem ich mit dir gesprochen habe«, erklärte Beth mit einem triumphierenden, aber schuldbewussten kleinen Lächeln. »Deswegen bin ich ja hier. Das ist ein Notfall.«
»Ich hoffe, du hast ihn ordentlich abblitzen lassen«, sagte Tracie, auch wenn sie es besser wusste, denn wenn Jon Beth angerufen hatte und mit ihr ausgehen wollte, dann war klar, dass Beth mitging.
»Ich hab ihm erklärt, dass ich ihn liebend gern heute Abend treffen würde«, äußerte Beth beglückt.
»Heute Abend? Erst ruft er dich tagelang nicht an, dann will er noch am selben Abend mit dir ausgehen, und du sagst auch noch zu? Du bist wirklich ein hoffnungsloser Fall«, erklärte Tracie.
»Ich hab jetzt eine Erklärung«, sagte sie. »Jonny ist eben sehr sensibel, und ich glaube, er hat einfach nur Angst, zu viel für mich zu empfinden. Das hat ihn eben verunsichert.«
Tracie und Laura tauschten einen Blick, und Laura verdrehte hinter Beth’ Rücken die Augen.
»Er hatte einfach Angst vor seinen eigenen Gefühlen. Das kommt bei Männern oft vor.«
»Meine liebe Beth«, sagte Tracie mit gütiger Stimme, »du hast ihm bestimmt keine Angst eingejagt.«
»Darf ich vielleicht darum bitten, dass die Psychologenkonferenz künftig an der Universität konferiert? Meinetwegen auch im Irrenhaus. Hier nicht. Sprechen verboten!«, erinnerte Stefan sie entschieden.
Beth beachtete ihn nicht. »Weißt du, er ist eben noch immer traumatisiert durch den Tod seines Bruders«, erklärte sie Tracie.
»Was denn für ein Bruder? Jon – Jonny ist doch ein Einzelkind!«, sagte Tracie.
»Nein«, korrigierte Beth sie kopfschüttelnd. »Er spricht nicht gern darüber. Außer mit mir.«
»Gott!«, stöhnte Tracie.
Laura verdrehte erneut die Augen und schnaubte verächtlich. Tracie konnte es einfach nicht glauben. Sie hatte ihm diesen Trick beigebracht, den Frauen eine dramatische Geschichte aufzutischen – aber dass er es tatsächlich getan und damit auch noch Erfolg hatte! Zwar nur bei Beth, die nicht gerade mit lügendetektorischen Gaben gesegnet war, aber trotzdem!
»Bitte?«, fragte Beth und starrte Tracie an. »Oh, sei deswegen bitte nicht beleidigt. Mir vertrauen viele Männer Sachen an, die sie sonst niemandem erzählen.« Sie winkte.
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