Tolle Maenner
ja gerade Cocktailstunde.
»Ich habe mich gefragt, ob du vielleicht Zeit hättest, mich zu treffen«, sagte sein Vater. »Ich habe eine weite Reise gemacht, mein Sohn, um dich zu sehen.«
Jon zuckte ein wenig zusammen. Wenn sein Vater ihn »mein Sohn« nannte, war das ein sicheres Anzeichen dafür, dass etwas nicht stimmte. Sein Vater hatte sich immer dagegen gesträubt zuzugeben, dass er älter als fünfunddreißig war, daher war es ein wenig ungünstig für ihn, einen Sohn in Jons Alter zu haben. Er wurde immer älter, seine Frauen jedoch nicht, aber qualitativ ließen sie doch erschreckend nach. Jon seufzte und hoffte, dass sein Vater es nicht gehört hatte. »Klar«, sagte er. »Klar können wir uns treffen.«
»Scheiße! Scheiße«, sagte Tracie, während sie die Papiere überflog, die auf dem Fußboden ihres Wohnzimmers verstreut lagen.
»Ach komm, so schlecht sind seine Eier gar nicht«, meinte Laura. Sie nahmen gerade ein spätes Frühstück ein, das – erstaunlicherweise – Phil zubereitet hatte. Er hatte darauf bestanden.
Obwohl er die Eier gebraten hatte, bis sie braun waren, während die Kartoffeln noch fast roh und daher unangenehm hart waren, hatte Tracie das alles kaum registriert. Stattdessen trauerte sie ihrem Vatertagsartikel nach, der wie üblich von Marcus verstümmelt worden war. Es war ihr nicht leicht gefallen, das Thema aus einer halbwegs originellen Perspektive abzuhandeln, aber am Ende hatte sie ihren Artikel über alternative Väter selbst recht gut gefunden. Ein Priester, der geholfen hatte, ein Dutzend Waisenjungen großzuziehen, war darin ebenso vorgekommen wie ein Yuppie, der für einen vaterlosen, an den Rollstuhl gefesselten Neunjährigen den Ersatzvater spielte, ein Typ, der ein Sommerlager geleitet und dabei wochenlang Dutzenden von Jungs die Eltern ersetzt hatte, und etliche Großväter, die ihre Enkel großzogen.
Der ursprünglich vier Spalten lange Artikel war auf weniger als eine Spalte zusammengestrichen worden; nur die Großväter waren noch im Detail erwähnt, während für die anderen jeweils nur ein knapper Satz geblieben war. Außerdem hatte jemand anders den üblichen Mist darüber geliefert, wie »normale« Kinder mit »normalen« Vätern feierten, zusammen mit einer Liste von Restaurants, in denen ein spezieller Vatertagsbrunch serviert wurde. Wütend warf sie einen Blick auf die Verfasserzeile und sah, dass ihr Name zwar dastand, aber mit dem Zusatz »Mit einen Sonderbericht von Allison Atwood«. »Verdammt noch mal!«, schrie Tracie und schleuderte die Zeitung durchs Wohnzimmer.
Ohne ihren Kummer überhaupt zu bemerkten, fragte Phil sie: »Wie findest du die Eier?«
Sie hörte, wie Laura hinter ihr ein Lachen unterdrückte, schaffte es aber dann, ihre Wut auf die Zeitung lange genug zu verdrängen, um sich zu Phil umzudrehen und ihm ein verkrampftes Lächeln zukommen zu lassen. »Danke, die sind echt gut.« Bei sich dachte sie jedoch, dass sie ihm sicher schon hundertmal Frühstück gemacht hatte, ohne Aufhebens und fast immer ohne jeden Dank. Wenn ein Typ aber einmal im Leben ein Ei brutzelt, erwartet er dafür gleich den Nobelpreis.
»Ehrlich? Sie schmecken dir?«, fragte Phil noch einmal – wahrscheinlich, weil sie ihn nicht ausgiebig genug gelobt hatten. Nicht zum ersten Mal fragte sich Tracie, ob sie es vielleicht irgendwie schaffen könnte, ohne Sex zu leben.
Sich von Allison loszureißen war nicht halb so schmerzhaft gewesen wie die Furcht vor dem, was Chuck Delano diesmal für ihn auf Lager hatte.
Jon hasste seinen Vater nicht. Hätte er das gekonnt, wäre manches für ihn einfacher gewesen. Er brachte ihm eher eine Mischung aus Entrüstung und Mitleid entgegen. Das Mitleid hatte ihn dazu bewogen, aus dem Bett zu steigen, sich anzuziehen und ein Taxi zu rufen. Wieder fragte er sich, was ihn wohl erwartete.
Als Jon im Teenageralter war, hatte sein Vater ihn zu etlichen seiner kleinen Ausflüge mitgenommen. Chuck – er wollte nicht Dad genannt werden – saß dabei immer einer jungen Frau gegenüber, redete aber mit Jon. »Ich möchte dir mein neues Mädchen vorstellen, mein Sohn. Ist sie nicht ein Prachtstück?«
Es hatte viele solcher Frauen gegeben, denn obwohl Jon es sich nur ungern eingestand, war sein Vater ein attraktiver und manchmal auch charmanter Typ. In jener Zeit hatte Chuck als Schürzenjäger seine aktivste Phase gehabt. Als es mit seiner Karriere bergab ging, verlor er auch sein gutes Aussehen, und er hatte im Southern
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