Tolle Maenner
Mülleimer gestopft; sie hatte ihn schon zusammengeknüllt, aber ihre Empörung war so stark, dass sie ihn dann doch behielt, um Phil den Artikel zu zeigen und um ihn auch selber noch einmal durchzulesen. Dann ging sie durch die Frühlingsnacht zur Wohnung zurück. Warum tat Marcus ihr das an? Warum gab er ihr überhaupt noch Aufträge, wenn er hinterher sowieso alles total umkrempelte? Sie hätte schwören können, dass es reine Schikane war. Aber wozu das Ganze? Mit einem solchen Artikel konnte sie sich nirgendwo bewerben. Jeder potenzielle Arbeitgeber würde sie ja für völlig unfähig halten. Was war nur los mit Marcus? Und was war los mit ihr, dass sie sich so etwas von ihm bieten ließ? Wozu gab sie sich eigentlich überhaupt noch Mühe? Warum lieferte sie nicht einfach gleich irgendwelchen Mist ab, den er dann ändern konnte, so viel er wollte?
Sie war schon wieder an Phils Wohnungstür, als sie merkte, dass sie Kaffee und Saft vergessen hatte, aber das war ihr jetzt auch egal. Sie wollte einfach nur wieder ins Bett kriechen und alles vergessen. Zu blöd, dass sie sich später noch mit Jon treffen musste. Normalerweise freute sie sich ja auf ihre mitternächtlichen Zusammenkünfte, aber in dieser Situation war ihr eher danach zu Mute, allein zu sein und sich in irgendein Loch zu verkriechen. In ihre Wohnung konnte sie auch nicht, denn da war Laura, fröhlich und geschäftig. Wenn sie ihr die Zeitung zeigte, würde Laura sich noch mehr darüber aufregen als sie selbst, und dann hätte sie alle Hände voll zu tun, ihre Freundin wieder zu beruhigen. Laura würde ihr raten, zu kündigen und sich irgendwo einen neuen Job zu suchen, wo man ihre Arbeit zu schätzen wusste. Aber leider war es nicht so einfach, einen Job als Journalistin zu bekommen, die für eine halbwegs angesehene
Tageszeitung Features schreiben durfte. Ohne einen vorzeigbaren Stapel gut geschriebener Artikel war ihr Marktwert eher gesunken als gestiegen, seit sie ihre Journalistenausbildung absolviert hatte.
Tracie seufzte, als sie die schmuddlige Treppe zu Phils Wohnung hochstieg. Sie wollte nur noch wie ein Kind im Arm gehalten werden. Sie betrat die Wohnung und ging durchs Wohnzimmer, wobei sie versuchte, all das im Verlauf von Wochen aufgelaufene schmutzige Geschirr, die Kleiderhaufen, die CD-Hüllen und den gesamten Abfall dreier notorisch unsauberer großer Jungs zu ignorieren. Dann betrat sie Phils Schlafzimmer.
»Hey, wo warst du denn?«, fragte er. »Du hast so lange gebraucht, dass meine Füße schon ganz kalt geworden sind. Und wo ist mein Kaffee?«
Sie seufzte. Manchmal konnte Phil unglaublich egozentrisch sein. »›Hallo Tracie. Hast du gut geschlafen? Was ist denn los? Der Muttertag hat dich wohl ein bisschen arg mitgenommen, was?‹«, begann sie und ahmte dabei seine Stimme nach. »›Was? Dieser Tyrann Marcus hat dir deinen Muttertags-Artikel kaputt gemacht? Das tut mir aber Leid. Wo du doch so hart an der Story gearbeitet hast.‹«
Er zeigte keinerlei Anzeichen von Reue, setzte sich aber im Bett auf und breitete die Arme aus. »Hey, komm her, Baby.«
Tracie zögerte, aber die zerknitterte Zeitung unter ihrem Arm bekümmerte sie so sehr, dass ihr Trostbedürfnis stärker war als ihr Stolz. Wenn Phil ihr diesen Blick zuwarf, schien alles gleich viel besser. Er brauchte sie, und Tracie fühlte sich so begehrt, dass ihr die Arbeit sofort unwichtig erschien. Sie kroch zu ihm ins Bett, und er gab ihr einen langen, leidenschaftlichen Kuss. Tracie schmiegte sich in seine Arme.
»Für den Künstler ist das Leben immer ein Kampf, Baby«, sagte er, drückte sie fester an sich und begann, ihr den Rücken zu massieren. »Ich habe übrigens gerade wieder eine Geschichte fertig.«
»Wirklich?« Tracie wusste, dass Phil nur schreiben konnte, wenn er sich entsprechend inspiriert fühlte. Von Terminen hielt er nichts. »Die töten nur deine Kreativität«, hatte er einmal gesagt. »Termin kommt nämlich von Terminator.« – »Um was geht’s denn in der Geschichte?«, fragte Tracie schüchtern. Insgeheim hatte sie immer gehofft, er würde einmal etwas über sie schreiben, aber bislang hatte sich diese Hoffnung nicht erfüllt.
»Ich zeig sie dir mal irgendwann«, sagte er und drückte die Hände links und rechts neben ihrem Rückgrat auf, was sie als sehr beruhigend empfand. Er war so viel kräftiger als sie. Es fühlte sich einfach gut an, gegen seinen breiten Brustkorb gedrückt und von seinen Armen umschlossen zu werden. Das war
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