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Tolle Maenner

Tolle Maenner

Titel: Tolle Maenner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivia Goldsmith
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du heute den Mount Rainier gesehen?«, fragte sie. »Ja. Und den Mount Baker auch.«
    Dann gingen sie durchs Wohnzimmer in die Küche. »Bist du allein gekommen?«, fragte sie.
    »Ja. Warum?«
    »Ich dachte, du bringst vielleicht Tracie mit.«
    Jon lächelte. Obwohl er und Tracie von Anfang an einfach nur sehr gute Freunde waren, ließ seine Mutter immer noch durch Andeutungen erkennen, dass sie hoffte, es könnte mittlerweile mehr daraus geworden sein. Oder dass er vielleicht mal ein anderes Mädchen, eine richtige Freundin, mit nach Hause brachte.
    Während sich Chucks andere Exgattinnen darauf einschossen, ob Chuck wohl eine Neue hatte, ging es seiner Mutter immer nur darum, ob Jon eine Freundin hatte. Sie wollte, dass er glücklich war, das wusste er, und sie wünschte sich Enkel. Nicht dass Jon nicht auch sehr gern eine Frau kennen gelernt und mit ihr eine Familie gegründet hätte – es war nur leider so, dass die Frauen,
denen er begegnete, sich lieber mit einem anderen zusammentaten. Im Privatleben war er für sich und die anderen einfach eine Enttäuschung. Er seufzte. Er hätte ihr den Gefallen gern getan, aber...
    »Dieser Feiertag ist für sie immer besonders hart«, sagte seine Mutter gerade, während sie die Blumen in die Vase stellte.
    Jon sparte sich die Mühe, ihr zu erklären, dass er an Tracie schon gedacht hatte – manchmal, fand er, dachte er sogar zu viel an Tracie -, sie aber schon mit ihrem neuesten Lover und ihrer alten Freundin aus San Bernardino oder so verabredet war.
    »Tracie hatte leider keine Zeit, aber ich treffe sie heute Abend. Du weißt schon, unser Mitternachtsbrunch.«
    »Grüß sie von mir«, sagte seine Mutter.
    »Mach ich.« Er griff in seine Jackentasche, holte ein kleines, in Geschenkpapier gewickeltes Kästchen heraus und legte es auf den Küchentisch.
    »Oh. Ein Geschenk? Jon, das wäre aber doch nicht nötig gewesen.«
    »Ich weiß; normalerweise klaut man seiner Mutter am Muttertag die Scheckkarte und geht damit auf Sauftour. Aber ich dachte, ich könnte ja mal was ganz Ausgefallenes machen.«
    Jon verdiente eine Menge Geld. Nun ja, im Vergleich zu dem Einkommen der vier Gründer seiner Firma war es zwar nicht allzu üppig, aber für jemanden in seinem Alter war es doch ziemlich viel. Zudem gab er nicht viel davon aus, da er meist zu sehr mit seiner Arbeit beschäftigt war, um überhaupt Zeit zum Einkaufen zu finden. Außerdem brauchte er auch gar nichts. Er besaß bereits all die technischen Spielereien – von der Stereoanlage über einen Laptop bis hin zur Videoausrüstung -, nach denen es ihn je verlangen könnte, aber ihm fehlte die Zeit, um sich mit ihnen zu beschäftigen. Wenn er nicht gerade arbeitete, dachte er über die Arbeit nach oder schlief. Daher war es für ihn keine große Sache, ein paar Dollar für seine Mutter auszugeben. Schwieriger war es schon, etwas zu finden, was ihr gefallen könnte. Am Ende hatte er Tracie etwas aussuchen lassen; im Einkaufen war sie unschlagbar.
    »Du bist ja so aufmerksam. Von deinem Vater hast du das bestimmt nicht.« Für einen kurzen Augenblick drängte sich ein verlegenes Schweigen zwischen sie, denn sein Vater war das einzige Thema, über das er mit ihr nicht sprechen wollte, und das hatte er ihr auch gesagt. Seine Mutter lachte und wickelte das Geschenk aus. Sie hielt die Jadeohrringe in die Höhe. »Oh, Jonathan! Die sind ja wunderschön!«, rief sie, und offensichtlich meinte sie es auch so. In solchen Sachen kannte sich Tracie wirklich aus. Seine Mutter ging zum Flurspiegel und hielt sich den Schmuck an die Ohren. Ihre offensichtliche Freude machte Jon glücklich. »Was ist, gehen wir zum Lunch zu Babette’s?«, fragte sie, als sie die Ohrringe endlich befestigte.
    »Tun wir das nicht immer?«, antwortete Jonathan, ohne zu zögern, obwohl Barbaras Frühstück und Janets Brunch in seinem Magen schon heftig rumorten.
    »Lass uns den Augenblick festhalten«, sagte seine Mutter, nahm ihre Polaroid und führte Jon hinaus zum Blauregen. »Ich muss nur rauskriegen, wie der Selbstauslöser funktioniert, dann kann’s losgehen.« Sie brauchte dazu etwa eine halbe Stunde, während er geduldig wartete. Dann hastete sie von der Kamera zu ihm, bevor es »Klick« machte.
    Und blitzschnell war der Augenblick vorüber.
     
    Jon war müde. Er war erst achtundzwanzig, fragte sich aber schon, wie viele Muttertage er wohl noch überstehen würde, bevor sie ihn ins Grab brächten. Er hatte noch drei weitere Stiefmütter vor sich,

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