Tolle Maenner
Seine Unabhängigkeit war so ganz anders als ihr übertriebenes Bedürfnis nach Anerkennung. Er war cool, sie nicht.
Jon schnaubte verächtlich. »Phil lenkt dich doch nur von den wirklich wichtigen Dingen ab.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel vom frühen Tod deiner Mutter. Von deiner komplizierten Beziehung zu deinem Vater. Von deinem richtigen Schreiben.«
»Was meinst du denn damit?« Tracie stellte sich dumm, obwohl sie beim morgendlichen Kaffee noch genau dasselbe gedacht hatte. Jon meinte es ja gut. Er glaubte an sie, aber manchmal... nun ja, manchmal ging er einfach zu weit. »Bei mir gibt es kein richtiges Schreiben.«
»O doch. Manchmal scheint das sogar mitten in deinen Jubelkritiken durch«, meinte Jon. »Wenn du dir Mühe gibst, schreibst du richtig gut. Wenn sie dir eine eigene Kolumne geben...«
»Ha! Marcus doch nicht. Da kannst du lang drauf warten.« Tracie seufzte. »Wenn er wenigstens aufhören würde, meine Artikel zu verstümmeln, und ein paar Sachen von mir so veröffentlichen würde, wie ich sie geschrieben habe...«
»Du wärst eine großartige Kolumnistin. Besser als Anna Quindlen.«
»Jetzt übertreibst du aber. Quindlen hat den Pulitzerpreis gewonnen.«
»Den kriegst du auch noch. Tracie, deine Schreibe ist so frisch, dass du alle anderen glatt wegpusten würdest. Keiner spricht für unsere Generation. Du könntest diese Stimme werden.«
Wie hypnotisiert starrte Tracie auf den Hörer. Einen Augenblick lang sagte keiner von beiden etwas, und Tracie hielt den Hörer wieder ans Ohr. Dann brach sie das Schweigen. »Ach komm. Marcus lässt ja nicht mal die Pointen in meinen Artikeln stehen. Ich schreibe wahrscheinlich noch Artikel über Feiertage, wenn ich alt und grau bin.«
Jon räusperte sich. »Na ja, vielleicht solltest du dich einfach mehr auf deinen Beruf konzentrieren...«
Tracies anderes Telefon klingelte. »Wart mal einen Augenblick, ja?«, bat sie Jon.
»Für Marcus meinetwegen, aber nicht, wenn Phil dran ist«, sagte Jon. »Ich habe schließlich auch meinen Stolz.«
Tracie drückte auf den Knopf und war froh, Lauras Sopran zu hören. »Hallo, Tracielein. Ich wollte nur Bescheid geben, dass ich jetzt ins Flugzeug steige.«
»Hör auf. Jetzt gleich?«, fragte Tracie. »Ich dachte, du kommst erst am Sonntag.«
»Trag’s mit Fassung. Du dachtest wohl, dass ich vielleicht gar nicht komme. Tu ich aber. Ehrlich. Ich wollte dir nur sagen, dass ich meine ganzen Sachen eingepackt und bei Susan untergestellt habe.«
»Das war’s dann also? Hast du es Peter schon gesagt?«
»Ich glaube kaum, dass das nötig ist. Er hat meinen Blick gesehen, als ich ihn dabei erwischt habe, wie er diese Person von nebenan in unserem Schlafzimmer geleckt hat. Außerdem hat er gesagt, dass Quincy ein Arschloch ist.«
In der High School war Laura total in Jack Klugman verknallt gewesen. Tracie verstand nie, warum, aber manchmal fuhren die beiden durch den Benedict Canyon und beobachteten das Haus, in dem er angeblich wohnte. Sie hatten ihn nie gesehen, aber es gab keine einzige Episode von Quincy , die Laura nicht in- und auswendig kannte.
Tracie riss die Augen auf. »Er mochte Quincy nicht?«, fragte sie mit gespieltem Entsetzen. »Und er hat es mit dieser Person von nebenan getrieben?«, fuhr sie im selben Stil fort. »War diese Person eigentlich ein Mann oder eine Frau?«
Darüber musste Laura dann doch lachen, und das war besser als Tränen. Nach Tracies Schätzung hatte Laura wegen Peter schon mindestens sechzig Liter Tränen vergossen. »Welche Flugnummer hast du, und wann soll ich dich abholen?« Während Laura noch nach ihrem Notizzettel suchte, dachte Tracie an ihren Artikel und ihre Verabredung, aber schließlich war Laura seit Jahren ihre beste Freundin. »Ich hol dich vom Flughafen ab«, sagte Tracie, nicht ohne Schuldgefühle.
»Das ist doch nicht nötig, ich bin schließlich ein großes Mädchen«,
meinte Laura und lachte. Laura war einen Meter achtzig und nicht gerade Haut und Knochen. »Ich nehme einfach den Bus zu deiner Wohnung«, bot sie an.
»Bist du sicher?«, fragte Tracie.
»Ja, kein Problem. Außerdem hast du zu arbeiten. In Seattle laufen doch sicher noch Wiederholungen von Quincy , oder?«, fügte Laura hinzu.
Tracie lächelte. »Klar.«
»Super. Dann darfst du jetzt auflegen. Ich will dich ja nicht von der Arbeit abhalten«, sagte Laura.
Plötzlich fiel es Tracie wieder ein. »O nein! Ich hab ja noch Jon auf der anderen Leitung!«, rief sie.
»Keine Angst,
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