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Tolle Maenner

Tolle Maenner

Titel: Tolle Maenner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivia Goldsmith
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Arbeit.«
    »Das gehört aber zu deinem Training«, erklärte Tracie ihm, stand auf und ging. Ihm blieb nichts weiter übrig, als die Rechnung zu bezahlen und ihr zu folgen.

15.   Kapitel
    Es war nach zwölf, und die Nacht in Seattle war lind. Wie so oft hing die Luft voll Feuchtigkeit, doch wegen der milden Temperaturen fühlte sie sich babyweich an. Um diese Zeit gab man entweder der Müdigkeit nach oder wurde noch mal richtig wach und ging auf eine Party. Aber es gab noch zu tun. »Komm schon«, sagte Tracie und beschleunigte ihre Schritte.
    »Komm doch selber«, antwortete Jon. Im Licht, das aus den großen Fenstern von Java, The Hut drang, machte er schon einen deutlich besseren Eindruck. Sie konnte sich nicht helfen, sie war stolz auf ihr Werk. Nahm man die Bibel wörtlich, dann hatte Gott sechs Tage gebraucht, um die Welt zu erschaffen. Gott war wohl wirklich ein Mann – man brauchte sich nur anzusehen, was eine einzige Frau in ein paar Abendstunden ausrichten konnte: Jon stand breitbeinig auf dem nassen Gehsteig, die Arme nach unten hängend und ein wenig abgewinkelt. Seine Haltung war zwar noch stark verbesserungsbedürftig, aber ansonsten sah er schon recht ordentlich aus. Tracie wusste, dass Jon nicht größer als einen Meter neunundsiebzig war – und vermutlich der einzige Mann in ganz Amerika, der eins neunundsiebzig groß war und nicht schummelte und einfach einsachtzig angab -, aber jetzt wirkte er richtig groß. Durch ihre Kleiderwahl bestand er nur noch aus vertikalen Linien. Seine Jeans, sein eng anliegendes T-Shirt, die Länge seiner Jacke – das alles zog das Auge des Betrachters nach oben wie an einer langen dunklen Säule. Die einzige horizontale Linie an ihm waren seine Schultern. Gott sei Dank hatte er Schultern, und die dezenten Schulterpolster seiner Jacke ließen sie noch ein bisschen breiter erscheinen.
    Schade nur um den Kopf. Nicht dass er hässlich gewesen wäre,
aber seine Frisur, seine Brille und die Art, wie er den Kopf vorstreckte, als wollte er, dass sein Gesicht schneller ankam als sein übriger Körper, machten ihre ganze Arbeit zunichte. Er brauchte neben der Sache mit den Hosen unbedingt auch noch die irre tollen Haare. Nun, Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut, sagte sich Tracie und gestand Gott etwas mehr Lob und sich selbst etwas mehr Zeit zu. Jon hatte natürlich keine Ahnung, dass sie ihn bewunderte – noch so ein Punkt, der sich ändern musste. Der Mann schien über keinerlei Radar zu verfügen. Was glaubte er eigentlich, was sie da tat, während sie auf dem nassen Gehsteig stand und ihn anstarrte? Meditieren vielleicht? Oder im Geist ein Rezept für Quiche an sich vorüberziehen lassen?
    »Ich glaube, ich muss jetzt nach Hause«, sagte er.
    »Nein, nein«, protestierte Tracie schnell. »Nur noch eins.«
    Jon schüttelte den Kopf. »Tracie, ich weiß deine Bemühungen wirklich zu schätzen und bin dir auch echt dankbar, aber ich glaube, heute Nacht vertrage ich kein einziges Wort der Kritik mehr.«
    Sie musste lachen. »Keine Angst, wir machen nur einen kurzen Spaziergang, und dabei gebe ich dir deine Hausaufgaben.«
    »Noch mehr Hausaufgaben?«, fragte Jon mit brüchiger Stimme. »Tracie, ich bin schon vor sieben Uhr von der Arbeit weggegangen; das habe ich, glaube ich, noch nie getan, seit ich bei Micro/Con bin. Dort gilt das als halber Tag Urlaub. Außerdem arbeite ich normalerweise noch ein paar Stunden zu Hause – was ich heute natürlich auch nicht getan habe, aber die Arbeit muss gemacht werden. Vor ein paar Tagen haben du und jede Verkäuferin von Seattle auf charmanteste Art über meine Schuhe, mein Haar, meine Brille und meine Unterwäsche gelacht. Ich habe in drei Stunden mehr Geld ausgegeben als in den letzten drei Jahren, die Eigentumswohnung eingeschlossen. Und jetzt...« In seiner Stimme lag ein Beben, das Tracie nicht ganz einordnen konnte. Entweder war er wirklich todmüde oder wirklich gekränkt – oder ein wirklich guter Schauspieler. »Und jetzt willst du mir auch noch Hausaufgaben aufgeben?«

    Statt zu antworten, lief Tracie los. Sie ging davon aus, dass er sie einholen würde, bevor sie an der nächsten Straßenecke angelangt war, und das tat er dann auch – anders als Phil, der immer nach einer Gelegenheit suchte, sich aus dem Staub zu machen und wahrscheinlich nicht einmal zu Hause wäre, wenn sie ihn anrief. Tatsächlich, überlegte sie, während Jon widerwillig neben ihr her trottete, kann man sich bei Phil nur auf eines verlassen

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