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Tolstoi Und Der Lila Sessel

Tolstoi Und Der Lila Sessel

Titel: Tolstoi Und Der Lila Sessel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Sankovitch
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Lesefest. In einem Jahr las der ganze Ort Hüter der Erinnerung von Lois Lowry, dieses Jahr war The Housekeeper and the Professor von Yoko Ogawa dran. Doch auch ganz ohne Planung entschließt sich vielleicht eine Frau in Kalifornien am selben Tag, mal wieder Der große Gatsby zu lesen, an dem ein junger Inder in Neu-Delhi wissen will, ob das Buch besser als der Film ist, und einem Rentner in Warschau eine gute Übersetzung – Wielki Gatsby  – an einem Bücherstand in die Hände fällt, die er kauft und gleich aufschlägt.
    Was haben diese Leser miteinander gemeinsam? Möglicherweise haben sie keine weiteren Gemeinsamkeiten, als dass sie des Lesens kundig sind und diese Fähigkeit nutzen. Ich las Wie bitte? von David Lodge im Januar, genau wie viele andere Leute in aller Welt. Jeder von ihnen interpretiert das Buch aufgrund unterschiedlicher eigener Erfahrungen anders (mit ein Grund für die unterschiedlichen Vorlieben bei Büchern), aber die Worte, die wir lesen, sind dieselben. Wir teilen etwas miteinander und mit der Autorin.
    »Dreifach« profitiert man von einem Buch, wenn man es weitergibt, wie Henry Miller verspricht: Man entdeckt unzählige Bücher, eine Welt neuer Schriftsteller und Schriftstellerinnen und das Universum der Leser, mit denen man seine Leseerfahrung teilt. Der Eindringling, den ich gefürchtet hatte – von Herzen kommende Buchgeschenke –, hatte sich als ein Gewinn meines Lesejahres entpuppt, ein Schatz, aus dem ich immer Neues schöpfen konnte. So wie die alte Tante Elinor in Cornelia Funkes Tintenherz sagt: »Bücher liebten jeden, der sie aufschlug, schenkten Geborgenheit und Freundschaft und verlangten nichts dafür, gingen nie fort, niemals, selbst dann nicht, wenn man sie schlecht behandelte. Liebe, Wahrheit, Schönheit, Weisheit und Trost im Angesicht des Todes. Wer hatte das nur gesagt? Irgendein anderer Büchernarr.« Diese gemeinsame Liebe zu Büchern und das gemeinsame Verständnis, wie viel sie uns zu geben haben, hält die Welt von Lesern und Schriftstellern zusammen.
    Angst gibt es beim Verleihen von Büchern auf beiden Seiten, beim Geber wie beim Nehmer. Wie tapfer wir sind, dass wir diese Angst überwinden, um Liebe, Wahrheit, Schönheit, Weisheit und Trost im Angesicht des Todes miteinander zu teilen! Die Fäden der Freundschaften verweben sich in der gemeinsamen Freude an einem Buch. Tauscht man später ein Buch aus, das beiden nicht gleichermaßen gefällt, nimmt die Freundschaft keinen Schaden. Ein neuer Tag bringt ein neues Buch und vielleicht eine neue gemeinsame Leseerfahrung. Ich wünschte, ich hätte Die Brücken von Madison County nicht mit einem herablassenden Blick, sondern mit einem Lächeln zurückgegeben und mit einem neuen Buch in der Hand. Mary hatte mir ihr Buch zu einer Zeit geliehen, in der ich sehr viel von Laurie Colwin las. Ich hätte ihr mein liebstes Buch, Goodbye Without Leaving , leihen und sagen sollen: »Hier, lies mal das. Vielleicht gefällt es dir.«
    Buch geteilt, Freundschaft gerettet.

10
Hören, was mir früher entgangen ist
Hat es Ihnen schon einmal das Herz gebrochen, wenn ein Buch zu Ende geht? Kennen Sie es, dass ein Schriftsteller Ihnen noch ins Ohr flüstert, lang nachdem Sie die letzte Seite umgeblättert haben?
ELIZABETH MAGUIRE , Fenimore
      In dem Frühjahr, als Anne-Marie erkrankte, verbrachte ich einen Samstagnachmittag bei ihr in der East Ninety-sixth Street. Marvin und sie hatten das kleine Gästezimmer in ein gemütliches Arbeitszimmer verwandelt und eine Oase der Wärme für Anne-Marie geschaffen. In einer Ecke war ein beige gestrichenes Brett von der Größe einer Tür auf zwei niedrigen Aktenschränken neben dem Fenster aufgebockt, von dem man hinaus auf Ninety-sixth und Madison blickte. Das war Anne-Maries Schreibtisch, auf dem an dem Samstag damals Stöße von Papieren lagen, Stapel von Büchern und der zugeklappte Laptop. In den letzten Wochen hatte sie nicht mehr gearbeitet, weil die Schmerzmittel sie so müde machten. Am Rand des Schreibtischs standen gerahmte Fotos von Marvin und meinen Söhnen in verschiedenen Altersstufen. An der Wand hingen Bilder, die die Kinder ihr gemalt hatten, daneben Postkarten und Polaroids von Orten, an denen Anne-Marie gewesen war. Paris. Los Angeles. Fiesole. Pienza. Udaipur. Fire Island.
    Die Wand dem Schreibtisch gegenüber wurde von deckenhohen Bücherregalen eingenommen, die unten geschlossen und oben offen waren. In den Fächern standen die Bücher dicht gedrängt –

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