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Tolstois Albtraum - Roman

Tolstois Albtraum - Roman

Titel: Tolstois Albtraum - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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schießen. Stimmen Sie mir zu?«
    »Nein«, versetzte T. trocken.
    »Also, lassen Sie uns reden«, sagte Ariel. »Der große Salon eignet sich gut dafür, denke ich. Und wenn nicht, dann machen wir ihn geeignet, ha-ha …«
    Ariel stieg die Treppe hinauf, ging den Korridor entlang und stieß die Flügeltür, die eben noch abgeschlossen gewesen war, mit der Hand auf.
    Dahinter befand sich ein geräumiger Saal, eingerichtet mit Möbeln aus karelischer Birke, unter denen ein wertvoller Sekretär in Form einer riesigen Muschel besonders ins Auge fiel. In der Mitte des Raumes stand ein runder Tisch, darum herum Stühle, wie für die Tafelrunde von König Artus.
    Die Wand gegenüber den Fenstern zierte ein Porträt in einem schweren Rahmen. Es zeigte eine junge Dame in einem dunklen Kleid und mit verhüllter Brust – fast noch ein Mädchen. Sie trug merkwürdig kurze, zu kleinen Löckchen gedrehte Haare. Mit zwei Fingern hielt sie eine kleine gelbbraune Mandarine am Blattstiel und lächelte – und darin lag ein solcher Abgrund von Laster, dass T. unwillkürlich die Stirn runzelte. Zunächst hielt er sie für eine mittelalterliche spanische Infantin, doch der unsauber ausgeführte Pinselstrich verriet, dass es sich nicht um das Werk eines alten Meisters, sondern um eine Stilisierung handelte. Erst dann erkannte er in der Frau auf dem Porträt Axinja.
    T. wandte sich sofort ab.
    Zwischen den Fenstern, die auf die Fontanka gingen – an der Stelle, wohin die lächelnde Infantin blickte –, zierte eine Kollektion kostbarer Jagdwaffen die Wand: Edelsteinbesetzte Dolche und Säbel hingen um ein aus Elfenbein gefertigtes doppelläufiges Gewehr, das über und über mit Einlegearbeiten versehen war, so dass es eher wie ein Fabergé-Ei als wie ein Gewehr aussah.
    »Setzen Sie sich«, sagte Ariel zwanglos. »Was meinen Sie? Ist das eine passende Räumlichkeit für ein Gespräch mit dem Schöpfer?«
    T. setzte sich an den Tisch.
    »Sagen Sie, war dieser Saal schon da, als die Tür noch verschlossen war?«, fragte er. »Ich meine das Porträt, die Waffen, die ganze Einrichtung?«
    »Eine schwierige Frage«, schmunzelte Ariel. »Ja und nein.«
    »Was heißt das?«
    »Ihre Welt wird durch die Energie meiner Aufmerksamkeit erschaffen. Ich bekunde mein Interesse für ein Detail und dieses Detail erscheint. Daher kann man sagen, dass der Raum vor unserer Begegnung nicht da war. Andererseits existierten alle seine Elemente in meiner göttlichen Vernunft. Daher existierte dieser Raum im Sinne einer gewissen Vorwegnahme bereits, als Sie begannen, das arme Tier zu quälen. Aber überlassen wir es den Theologen …«
    Ariel ging zum Buffet, öffnete eine Klappe, nahm ein Tablett heraus und stellte eine Flasche Wodka darauf, wobei T. den Eindruck hatte, dass irgendein Zaubertrick oder eine Mauschelei im Spiel war, gerade so, als hätte Ariel den Wodka selbst mitgebracht und ihn jetzt nur noch geschickt aus seinem Mantel hervorgezogen.
    »Was wollen Sie trinken?«, fragte Ariel. »Hier gibt es Likör und Kognak.«
    »Am liebsten gar nichts.«
    »Das geht nicht.«
    »Dann nehme ich einen Kognak«, sagte T. »Fjodor Michailowitsch hat gesagt, das hilft gegen die Strahlung.«
    Ariel stellte eine weitere Flasche und einige Kristallgläser auf das Tablett, kehrte an den Tisch zurück und setzte sich T. gegenüber.
    »Gegen die Strahlung ist das genau das Richtige«, bestätigte er, während er sich selbst einen Wodka eingoss. »Ich muss Ihnen sagen, Graf, Sie haben mir eine Menge interessanter Erfahrungen verschafft … Sagen Sie, kam Ihnen in den Momenten, als Sie Ihre Befreiung aus meinen, ha-ha, Pfoten gefeiert haben, wirklich nicht in den Sinn, dass alle diese weißen Handschuhe und die anderen Attribute Ihrer Freiheit von mir erdacht waren?«
    T. ließ den Kopf sinken.
    »Nein«, bekannte er ehrlich.
    Ariel kicherte vergnügt.
    »Wie gefällt Ihnen überhaupt diese Wendung im Sujet? Meines Erachtens ist das ein großer Wurf und – ich scheue mich nicht, es zu sagen – ziemlich raffiniert. Ach was, es ist einfach brillant! Besonders dieser Übergang über den Styx. Ist natürlich geklaut – aber heutzutage machen das ja alle. Dafür hat es aber ganz gut funktioniert, was? Nicht mal Graf T. selbst ist darauf gekommen!«
    »Einzig und allein deshalb nicht«, sagte T. düster, »weil Sie mir diesen Gedanken nicht in den Kopf gesetzt haben.«
    »Richtig«, nickte Ariel.
    »Dafür können Sie mich nicht der Blasphemie bezichtigen.«
    »Kann ich

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