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Tolstois Albtraum - Roman

Tolstois Albtraum - Roman

Titel: Tolstois Albtraum - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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doch«, kicherte Ariel. »Und ob ich das kann. Sie brauchen nicht zu meinen, gnädiger Herr, dass es irgendetwas gibt, was ich nicht kann. Ich kann alles. Und Sie sollten etwas aufmerksamer sein. Ich habe Ihnen doch einen Wink gegeben. Ich habe Ihnen laut und deutlich gesagt, dass ich das ganze Material mitnehme. Und was ist mein wichtigstes Material? Sie. Trotz aller Gottsucherei und allen Gottbildnertums.«
    »Der Gottsucher sind Sie doch«, sagte T. »Darauf muss man auch erst einmal kommen – zu einem Kater zu beten … Oder ist dieser Hermaphrodit auch wertvolles Material?«
    »Ganz genau. In ›Dostojewskis Petersburg‹ findet die Hälfte der Schießereien in irgendwelchen Kathedralen statt. Laut Vorgabe wird der Raum der Spielinterieurs zu vierzig bis sechzig Prozent zerstört. Das bedeutet abbröckelnde Fresken, splitternde Ikonenschränke, im Kugelhagel berstende Kirchenleuchter. Die Religion darf man in unserem homeland ja nicht antasten, wie Sie bereits wissen. Aber schließlich muss auf den Ikonen, auf die man schießt, irgendetwas abgebildet sein. Also haben wir uns etwas ausgedacht. Schade, dass Sie Dostojewski nicht gefragt haben, was er unter dem Wort Gott versteht. Er hätte es Ihnen erklärt.«
    T. zuckte die Achseln.
    »Das ist irgendwie unglaubwürdig – ein Kater!«
    »Hören Sie doch auf.« Ariel winkte ab. »Hätte nicht ein betrunkener Fürst einen Juden zum Gott erklärt, sondern einen Kater, dann würde man schon seit tausend Jahren 67 zu einem Kater beten. Außerdem, das versichere ich Ihnen, würde der theologische Apparat dem jetzigen in nichts nachstehen, ebenso wenig wie die konservative Rhetorik. Unser Volk verfügt über ein erstaunliches Vertrauen in die Entscheidungen der Behörden.«
    Er kippte sein Glas hinunter. T. seufzte.
    »Trinken Sie, trinken Sie Ihren Kognak aus«, sagte Ariel fürsorglich. »Das mit der Strahlung ist kein Scherz. Zuerst fallen einem die Barthaare aus, dann bekommt man Geschwüre im Gesicht. Wie lange waren Sie in Dostojewskis Petersburg? Etwa vierundzwanzig Stunden? Dann müssen Sie mindestens eine Woche lang trinken. Wenn man dort ist, braucht man jede Stunde eine Flasche Wodka. Aber man muss nicht unbedingt töten, das hat Dostojewski sich ausgeklügelt. Wodka und Wurst kann man sich auch im Geschäft Weiße Nächte 68 im Tausch gegen Artefakte besorgen, ohne jemanden zu töten.«
    »Artefakte?«, fragte T. mit einem Blick auf das Kognakglas. »Was ist das denn?«
    »Das sind Gegenstände, durch die ein ironischer Shooter den Aspekt virtuelles Shopping bekommt. So können wir sämtliche Basisinstinkte einbeziehen. Der Stab von Poliwanow, die Unterlegscheibe von Poliwanow, Kaschtanka, die Eier des heiligen Selifan, der bengalische Schlappschwanz, brennender Speck 69 … Aber man muss die Energie der verschlungenen Seelen aktivieren, bevor man die Artefakte benutzt.«
    »Das heißt, man muss trotzdem töten?«
    Ariel überlegte.
    »Im Prinzip ja«, sagte er dann kleinlaut. »Wer überlässt einem schon seine Seele einfach so? Man muss auf jeden Fall Seelen aussaugen, darauf beruht ja die ganze Dynamik.«
    »Wissen Sie eigentlich, wie sehr diese Welt, die Sie erschaffen, der Hölle gleicht?«
    Ariel bereiteten diese Worte seltsamerweise offensichtlich großes Vergnügen.
    »Muss es denn gleich die Hölle sein?«, schmunzelte er. »Das stimmt doch nicht, es gibt auch kleine Freuden. Wurst essen, Wodka schlürfen, Seelen aussaugen – das ist doch nicht schlecht? Sie werden bloß von Zweifeln gequält. Das wird auf Ihrem Landgut auch nicht anders sein. In unserem Shooter sind Sie ja gerade deshalb Graf T., weil Sie in Ihrer Einfachheit nicht einmal eine Seele aussaugen können. Sie suchen immer und überall eine moralische Grundlage, und Sie werden in jeder Hinsicht gewaltlosen Widerstand leisten.«
    »Wozu haben Sie sich das überhaupt ausgedacht mit dem Aussaugen der Seelen?«
    »Das war nicht ich«, erwiderte Ariel. »Das ist ein globaler Trend. Heutzutage funktionieren doch alle Spiele so. Ich verstehe überhaupt nicht, was Sie gegen mich haben. Anscheinend halten Sie mich und meine Kollegen für ganz besonders schlimme Quälgeister. Dabei sind wir keinen Deut anders als Sie, das habe ich Ihnen doch in dem Traum erklärt. Wir sind genau solche tragischen Phantome, Mitjenka ebenso wie Grischa Ownjuk und Goscha Piworylow.«
    »Arbeiten Sie wieder zusammen?«
    »Ja, sicher«, lächelte Ariel.
    »Das verstehe ich nicht. Sind die jetzt auch auf Shooter

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