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Tolstois Albtraum - Roman

Tolstois Albtraum - Roman

Titel: Tolstois Albtraum - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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kämpfen auf Leben und Tod … deinen Tod.«
    »Das kann ich nicht versprechen«, sagte T.
    Der Zigeuner trat auf ihn zu, schwenkte die Faust, machte plötzlich eine tückische Drehung und schlug mit dem Fuß zu – so flink, wie man es bei einem derart riesigen Mann nicht erwartet hätte. T. sprang beiseite. Der Zigeuner sprang ihn an und versuchte, ihm die Faust aufs Ohr zu schlagen. T. wich ihm wieder aus, doch in der nächsten Sekunde klatschte Lojko ihm so heftig mit der Hand auf die Wange, dass T. sich vor Schmerz krümmte und ihm beide Hände in den Bauch stieß.
    Der Stoß sah nicht besonders heftig aus – eher so, als wollte T. einen spielenden Jungen wegschubsen. Doch das Gesicht des Zigeuners wurde grün. Er fuhr zusammen, ging in die Hocke und schnappte keuchend nach Luft. T. wischte sich mit dem Ärmel das Blut aus dem Mundwinkel.
    »Ich würde Ihnen raten, die Gewalt zu beenden«, sagte er. »Ansonsten wird es höchst betrübliche Konsequenzen haben.«
    Lojko richtete sich auf. Er hielt zwei gekrümmte Messer in der Hand, die in den Stiefelschäften verborgen gewesen waren. Ohne Zeit für Worte zu verschwenden, stürzte er sich auf T.
    Im Folgenden sah es aus, als würden T. und der Zigeuner einen verwegenen Tanz aufführen, bei dem T. immer wieder unter dem Arm des Zigeuners hinwegtauchte und sich so ständig hinter dessen Rücken befand. Nach zwei oder drei Tanzschritten aber hatte T. den Zigeuner fest bei den Handgelenken gepackt und die auf seine Brust gerichteten Messerklingen nur wenige Zoll vor seinem Hemd zum Halten gebracht.
    Der Zigeuner war nur schwer zu halten und T.s Gesicht lief rot an.
    »Sind Sie sicher, dass Sie nicht aufhören wollen?«, fragte er mit vor Anstrengung heiserer Stimme. »Es ist noch nicht zu spät …«
    »Ich schneid dich in Streifen!«, zischte der Zigeuner.
    T. kniff die Augen zusammen.
    »Im Matthäus-Evangelium steht geschrieben«, sprach er, und die Heiserkeit war mit einem Mal aus seiner Stimme verschwunden, »wenn dich jemand auf deine rechte Wange schlägt, so wende ihm auch die linke zu. Auch der Evangelist Lukas sagt: Halte dem, der dich auf die eine Wange geschlagen hat, auch die andere hin …«
    T. zog den Zigeuner näher zu sich heran, so dass ihre Gesichter sich beinahe berührten.
    »Sie, mein Herr, hatten die Unverschämtheit, mich auf die rechte Wange zu schlagen«, fuhr er fort und streckte den Bart in die Höhe, so dass der graue Stahlbesen auf gleicher Höhe mit dem Gesicht des Zigeuners war. »Hier haben Sie auch meine linke! Und hier die rechte! Die linke! Die rechte! Die linke! Die rechte! Und hier die linke! Und jetzt die rechte!«
    Furios schwenkte T. den Kopf von Seite zu Seite, und jedes Mal ritzten die Zacken des in den Bart eingeflochtenen Damaszenerstahls das Gesicht des Zigeuners von Neuem. Der Zigeuner schrie schon, aber T. rief immer wieder:
    »Die rechte! Die linke! Und hier die rechte! Und hier noch mal die linke!«
    Schließlich öffnete der Zigeuner die Fäuste und ließ die gekrümmten Messer fallen. Mit einem Fußtritt stieß T. ihn zurück. Heulend vor Schmerz und mit ausgestreckten Händen rannte der Zigeuner davon und stieß dabei Knopf, der ihm im Weg war, beinahe um. Als Knopf das blutüberströmte, blinde Gesicht sah, schauderte er, und er streckte die Hand nach dem im Staub liegenden Revolver aus.
    T. verlor keine Sekunde und stürzte ihm entgegen, machte einen Salto und schnappte die Derringer des toten Detektivs von der Straße. Als Knopf seinen Revolver auf T. richtete, starrten ihm schon die beiden übereinanderliegenden Läufe der Derringer entgegen.
    »Also deshalb nennt man Sie den Eisenbart«, flüsterte der bleiche Knopf. »Das muss ein Ende haben, ein für alle Mal. Wenn keiner die Oberhand gewinnen kann, bringen wir uns eben gegenseitig um …«
    »Hören Sie, Knopf«, antwortete T., »mir ist dieses sinnlose Duell auch lästig. Aber glauben Sie mir, ich kann Ihnen etwas erzählen, was Ihre Ansicht über das Geschehen vollkommen ändern wird. Lassen Sie uns doch eine gewisse gegenseitige Toleranz an den Tag legen …«
    »Toleranz?«, grinste Knopf. »Sie sind ein ganz raffinierter, brutaler Mörder, Graf. Ihr Bart trieft vor Blut, und Sie sprechen von Toleranz? Sie wollen sich doch bloß an meinem Tod ergötzen. Bestimmt haben Sie sich für mich etwas besonders Makabres ausgedacht …«
    »Stellen Sie sich doch nicht dumm«, sagte T. »Lassen Sie uns alles besprechen, solange wir allein sind und nicht diese

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