Tolstois Albtraum - Roman
sehr unbequem ist, es kratzt auf der Brust.«
Knopf fing an zu lachen.
»Wissen Sie denn nicht, dass die Tarakanowa Sie umbringen wollte? Die Verstorbene war eine rücksichtslose Abenteurerin, die höchst gefährliche Aufgaben für die Sektierer erledigte. Sie selbst glaubte an überhaupt nichts, aber anderen konnte sie den Kopf verdrehen – sehen Sie, Ihnen hat sie sogar das Opferzeichen umgehängt. Sie hat Ihnen ein Schlafmittel in den Wein gemischt. Wenn ich nicht gewesen wäre, wäre die Opferung schon vollzogen worden.«
T. winkte ab.
»Hören Sie doch auf. Die Fürstin Tarakanowa – eine gefährliche Frau? Das ist Unsinn.«
»Na schön. Dann sagen Sie doch, was sich in dem Amulett befindet?«
»Nichts, nehme ich an. Es ist nur Tand, ein symbolisches Buch des Lebens.«
»Bei dem Petersburger Bankier war es auch so«, sagte Knopf. »Man fragte ihn: ›Was ist das für ein Schlüssel an Ihrer Uhrenkette?‹ Und er sagte: ›Damit kann man die Spieluhr der Ewigkeit aufziehen.‹ Dabei war es der Schlüssel zu dem leeren Tresor …«
»Meinen Sie, in dem Amulett ist etwas versteckt?«
»Ganz genau«, bestätigte Knopf. »Nach unseren Informationen befindet sich darin ein goldenes Plättchen mit dem geheimen Namen des Hermaphroditen. Die Eingeweihten glauben, dass man durch seinen Namen mit ihm in Kontakt treten kann. Ein Uneingeweihter, der es wagt, den Namen zu lesen, muss sterben.«
»So ein Blödsinn«, sagte T. »Warum sollten sie sich so ins Zeug legen, nur um ein Opfer zu bringen?«
»In den alten Kulten wurde das Opfertier mit der Symbolik derjenigen Gottheit geschmückt, der das Opfer dargebracht wurde.«
»Das Opfertier? Besten Dank …«
»Der Große Löwe.« Knopf breitete die Arme aus. »Man hat Sie sozusagen … geschmückt.«
»Sie fantasieren, Knopf.«
»Dann öffnen wir doch das Amulett. Haben Sie denn keine Angst?«
T. nahm den Anhänger vom Hals, musterte ihn und verspürte einen Anflug von Unsicherheit.
»Na schön«, sagte er. »Von mir aus. Wir brauchen etwas Scharfkantiges …«
»Hier.« Knopf hielt ihm ein bräunlich gesprenkeltes Wurfmesser hin. »Eins von ihren.«
»Vielen Dank«, sagte T., nahm das Messer und setzte die Spitze am Rand des Buchanhängers an. »Versuchen wir es hier. Nein, das hat keinen Zweck. Es gibt nicht nach – ich habe Ihnen doch …«
Plötzlich sprang das Amulett mit einem Knacken auf und ein ziehharmonikaförmig gefaltetes Stück feinen Blattgolds fiel auf die Bank.
Knopf nahm die goldene Ziehharmonika mit Daumen und Zeigefinger, schwenkte sie behutsam in der Luft und sie entfaltete sich zu einem glänzenden, mit winzigen Zeichen übersäten gelbgrünen Blatt.
»Mit Verlaub«, flüsterte T. erstaunt, »aber wie …«
»Der geheime Name des Hermaphroditen«, sagte Knopf; er hob den Goldstreifen ehrfürchtig hoch und hielt ihn gegen das Licht. »Sie sind denen so wichtig, dass man Ihnen keine Kopie, sondern das Original gegeben hat, ein altägyptisches Artefakt. Ein Hauch der Ewigkeit.«
»Lassen Sie mal sehen.«
»Sachte«, bat Knopf.
T. nahm das kleine Blatt zur Hand. Die winzigen Zeichen – Vögel, Augen, Kreuze, Figürchen von Menschen und Tieren – waren deutlich zu erkennen, ausgeführt mit raffinierter Präzision und winzigen, kaum wahrnehmbaren Besonderheiten, die es ohne die jahrhundertealte Tradition einer solchen Schrift nicht hätte geben können. Es war auf den ersten Blick zu erkennen, dass es sich tatsächlich um eine sehr alte und zweifellos originale Arbeit handelte.
»Was steht hier?«, fragte T.
»Das kann ich nicht sagen. Jetzt geben Sie es mir bitte wieder … Ja, das Medaillon und das Blatt. Wir legen alles sorgfältig wieder zusammen, so wie es war, offensichtlich ist es ein wertvolles Stück … Sehen Sie, so. Sind Sie jetzt überzeugt?«
T. war völlig fassungslos.
»Ich … Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, murmelte er. »Ariel hat nichts davon gesagt.«
»Fragen Sie ihn bei Gelegenheit. Das heißt, wenn er sich Ihnen jetzt überhaupt noch zeigt.«
»Gut«, sagte T. »Aber wer, glauben Sie, ist dann Ariel?«
»Ich weiß es nicht.« Knopf zuckte die Achseln. »Ich glaube nicht an Übersinnliches und kann nur vermuten, dass er eine krankhafte Halluzination ist, die auf seltsame Weise mit dem realen Geschehen korrespondiert. Vielleicht hat man Ihnen auch nur suggerieren wollen … Sagen Sie mal, hatte das Gesicht dieses Ariel nicht etwas Katzenhaftes?«
»Nein«, erwiderte T. und kratzte sich
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