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Tolstois Albtraum - Roman

Tolstois Albtraum - Roman

Titel: Tolstois Albtraum - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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nicht ich. Die höheren Würdenträger sind empfänglich für seltsamen Aberglauben – und einige von ihnen nehmen diese ganze Geschichte mit Prophezeiungen, Opferungen und Weissagungen in höchstem Maße ernst.«
    »Und warum müssen Sie mich umbringen?«
    »Meine Aufgabe ist nicht, Sie umzubringen, sondern Sie aufzuhalten. Sie dürfen Vater Warsonofi nicht in die Hände fallen.«
    »Wer ist das?«
    »Das ist ein Abgesandter der Sekte, der Ihnen auf der Spur ist. Aber wenn es keinen anderen Weg gibt, Sie aufzuhalten, muss ich Sie umnieten.«
    T. wurde nachdenklich.
    »Nun?«, fragte Knopf. »Was sagen Sie?«
    »Das hört sich alles ziemlich abstrus an«, sagte T. »Aber nehmen wir einmal an, Sie sagen die Wahrheit. Dann bedeutet das, dass Sie mit denen, die mich opfern wollen, unter einer Decke stecken. Denn Sie waren es, der mich nach Optina Pustyn geschickt hat.«
    »Ich?«, fragte Knopf überrascht.
    »Natürlich. Sie haben mir doch im Zug erstmals davon erzählt.«
    »Sie hatten vorher noch nie davon gehört?«
    T. wurde verlegen.
    »Offen gestanden«, sagte er, »kann ich diese Frage nur schwer beantworten. Es ist nämlich so, dass ich nach unserem Zusammenstoß – entweder infolge der Gehirnerschütterung oder durch den Sprung in den Fluss – so eine Art Gedächtnisverlust erlitten habe. Das Einzige, an das ich mich erinnere, ist unsere Unterhaltung im Zug und das, was Sie über Optina Pustyn gesagt haben.«
    »Hören Sie auf damit«, sagte Knopf. »Schieben Sie die Schuld nicht anderen in die Schuhe. Als ich Optina Pustyn erwähnte, war das ein Versuch, Sie aufzuhalten, ohne Gewalt anzuwenden. Ich wollte Ihnen zu verstehen geben, dass wir alles wissen …«
    »Wer ist ›wir‹?«
    »Die Polizeiobrigkeit.«
    »Und woher hatte die Polizeiobrigkeit Kenntnis davon, dass ich auf dem Weg nach Optina Pustyn bin?«
    »Anscheinend von Konstantin Petrowitsch Pobedonoszew, dem Oberprokurator des Synods. 33 Jemand wie er redet nicht einfach aufs Geratewohl daher, wie Sie sich vorstellen können.«
    T. blickte Knopf misstrauisch an.
    »Pobedonoszew?«
    Knopf nickte.
    »Infolge seiner beruflichen Verpflichtungen ist er gut informiert über alle fanatischen Sekten, auch über die Sekte der Eingeweihten des Hermaphroditen mit dem Katzenkopf. Sie müssen begreifen, dass das eine delikate Angelegenheit ist. Wenn diese Information an die liberale Presse durchsickert, kann das ernsthafte Komplikationen für die geistlichen Institutionen unseres Vaterlands nach sich ziehen.«
    »Aber woher kommt der Ausdruck ›Optina Pustyn‹?«
    »So ganz genau kann ich das nicht beantworten. Soweit ich gehört habe, hat das mit den Werken von Fjodor Michailowitsch Dostojewski zu tun, der eine der höchsten Weihen in der Hierarchie des geheimen Kults besaß. Offenbar hat er diesen Terminus in seiner besonderen mystischen Bedeutung erstmals verwendet … Nur hat er, wenn ich mich richtig erinnere, nicht nur von Optina Pustyn gesprochen, sondern von ›Optina Pustyn Solowjow‹. Sie kannten doch Dostojewski, Graf?«
    T. griff sich an den Kopf.
    »Ich erinnere mich nicht, das habe ich doch gesagt … Ich habe mich gestoßen, als ich von der Brücke gesprungen bin.«
    »Ihr Gedächtnisverlust«, sagte Knopf sanft, »hat vermutlich nichts mit dem Aufprall auf dem Wasser zu tun. Sie sind nicht so heftig aufgeschlagen. Und die Gehirnerschütterung kann auch nicht die Ursache sein.«
    »Aber was denn sonst?«
    »Vermutlich hat man Sie mesmerisiert.«
    »Ist denn so etwas möglich?«
    »Und ob. Kürzlich haben Verbrecher in Petersburg den Direktor einer Bank hypnotisiert. Er hat zuerst eine Stenotypistin vergewaltigt und dann den gesamten Vorrat an Goldimperialen 34 aus dem Tresor mitgenommen … Die ganze Sache wäre ans Licht gekommen, deshalb hat er sich nach dem ersten Verhör aus dem Fenster gestürzt.«
    »Sie haben für alles eine Erklärung, wie ich sehe«, sagte T. »Aber Ihre Geschichten sind so haarsträubend, dass man sie nicht unbesehen glauben kann. Haben Sie Belege für die Richtigkeit Ihrer Worte?«
    »Habe ich.«
    »Nämlich welche?«
    »Zum Beispiel das Opferamulett, das Sie tragen, Graf.«
    »Verzeihung?«
    »Was glauben Sie denn, was Sie da am Hals haben?«
    »Das hier?« T. betastete die kleine Kette mit dem winzigen Goldmedaillon in Form eines Buches. »Das hat mir die Fürstin Tarakanowa geschenkt, bevor sie von Ihren Banditen umgebracht wurde.«
    »Warum tragen Sie es?«
    »Zur Erinnerung an die Fürstin. Obwohl das Ding

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