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Tolstois Albtraum - Roman

Tolstois Albtraum - Roman

Titel: Tolstois Albtraum - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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bloß die Tschekisten hätten die Dinosaurier beerbt. Aber dann hat die kulturelle Öffentlichkeit auch was gefunden, wo sie bohren kann. Also werden jetzt sämtliche lieben Verstorbenen eingespannt. Sogar der ermordete Imperator ackert wie Ihr weißes Pferd auf dem Hügel. Und man denkt besser nicht darüber nach, für wen. Wieso ist Dostojewski besser? Vor allem ist er genauso ein Dostojewski wie Sie ein Tolstoi sind.«
    »Besten Dank«, knurrte T.
    »Es handelt sich um ein kommerzielles Projekt«, fuhr Ariel fort. »Deshalb ist Fjodor Michailowitsch bei uns nicht so ein Weichei, nicht so ein grüblerischer Träumer, sondern ein Kämpfer. Ein gutgläubiger nordischer Riese, ein bärtiger Haudegen, der in seiner Freizeit Konfuzius liest …«
    »Aber warum ausgerechnet Dostojewski? Warum nicht zum Beispiel Turgenjew?«
    »Was Sie immer zu nörgeln haben! Na gut, ich erklär’s Ihnen. Der FSB 45 hat eine Insiderinformation, Oprah Winfrey wird den amerikanischen Frauen nächstes Jahr Die Brüder Karamasow empfehlen. Dann wird unsere Exportvariante von ›Dostojewskis Petersburg‹ automatisch als Begleitmaterial verkauft, und das erhöht unseren Umsatz mindestens um das Fünffache. Wenn wir gleichzeitig mit Xbox und PC rauskommen, können wir jede Menge Kohle machen.«
    »Warum ist es für Sie so wichtig, in den Westen zu verkaufen?«
    »Sonst kann man damit nichts verdienen. Bei uns werden die Spiele einfach geklaut, und das war’s dann. Aber die Investitionen in diesem Business sind bedeutend höher als in der Literatur. Überlegen Sie mal, ein Buch wird von höchstens zehn Leuten geschrieben, aber der Abspann bei einem Spiel dauert mindestens fünf Minuten, und die Leute müssen alle bezahlt werden.«
    »Und warum ausgerechnet Petersburg?«
    »Damit können wir nebenbei auch noch den Hardlinern in den Hintern kriechen. Was meinen Sie wohl, die ganze Nordallianz 46 kommt von dort. Dafür gibt es auch mehr Geld.«
    »Sind die Nibelungen auch dabei?«, erkundigte T. sich vorsichtig. »Wenn es schon eine Nordallianz ist?«
    »Die Nibelungen haben damit nichts zu tun«, sagte Ariel trocken. »Die können höchstens die Usbeken auf dem Markt aufmischen. Die Nordallianz, nur dass Sie das wissen, macht mit niemandem gemeinsame Sache. Die machen alles unter sich aus.«
    »Ich verstehe das trotzdem nicht«, sagte T. »Sie sagen, sie hätten Petersburg ausgesucht, um den Hardlinern in den Hintern zu kriechen. Aber Sie selbst machen doch jetzt bei den Liberalen mit.«
    »Ja.«
    »Und warum wollen die Liberalen den Hardlinern in den Hintern kriechen, wenn sie sich doch bekämpfen?«
    »Byzanz, mein Freund«, erwiderte Ariel. »Mit dem Kopf ist das nicht zu begreifen, sondern nur mit einem mitfühlenden Herzen. Oder zur Not mit einem erfahrenen Arsch, verzeihen Sie den hässlichen Kalauer. Das verstehen Sie sowieso nicht. Wozu auch?«
    »Was heißt wozu? Schließlich ist das der Grund für das ganze Durcheinander in meinem Schicksal.«
    »Machen Sie sich keine Sorgen. Das hat bald ein Ende.«
    »Was heißt das?«
    »Nichts, es hat einfach ein Ende.«
    »In welchem Sinne?«
    Ariel lächelte.
    »Das entscheiden Sie für sich selbst, in welchem Sinne. Ich werde an dem Shooter arbeiten, auf Grischa warten sie schon bei drei verschiedenen Projekten, und Mitjenka ist abgegangen wie eine Rakete, das hätte keiner gedacht. Er hat einen Millionenvertrag beim Fernsehen, für die Serie Die alte Isergil 47 . Da geht es um eine alte Nutte, die bei einem Blowjob etwas über den Menschen in Erfahrung bringt – so ähnlich wie eine Zigeunerin beim Handlesen. In jeder Folge rufen die Bullen sie an, damit sie der Leiche einen bläst und ihnen hilft. Allerdings macht sie das hinter einem Vorhang, damit die Serie nicht aus der Prime Time rausfliegt – man sieht nur ihre Silhouette. Sie brauchen mich gar nicht so anzustarren, Graf. Ich verstehe schon, das gefällt Ihnen nicht. Mir ist es auch nicht besonders sympathisch. Aber wer wird Sie jetzt erschaffen? Es gibt niemanden mehr. Gar niemanden.«
    »Und was passiert nach unserer Unterhaltung?«
    »Nichts, das sagte ich doch.«
    »Was heißt das?«
    »Sie werden schon sehen«, versetzte Ariel.
    Ein paar Sekunden lang war Stille. Dann ließ Ariel sich offenbar erweichen.
    »Nun ja«, bemerkte er, »eines hat mein Großvater diesbezüglich gesagt. Aber ich bin nicht sicher, ob das auch für Sie gilt.«
    »Heraus damit!«
    »Er sagte, dass es faktisch keinen Tod gibt. Alles, was passiert, ist, dass

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