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Tolstois Albtraum - Roman

Tolstois Albtraum - Roman

Titel: Tolstois Albtraum - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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Schmyga: Klar, das weißt du nicht mehr, weil du komplett zugedröhnt warst, aber das Tonband erinnert sich. Du hast gesagt, der Islam wird die Religion der Welt, die anbricht, wenn man allen Ungläubigen den Kopf abschlägt. Wenn das wer im Internet verbreitet, dann bist du der Erste, dem sie die Kehle durchschneiden! Und zwar die eigenen Leute, damit du ihr Image nicht kaputtmachst. Damit auch alle wissen, dass der Islam tatsächlich die Weltreligion ist.«
    »Und Süleyman?«
    »Na was schon? Dem ist wieder eingefallen, wo er hingehört – seine ganze europäische Identität ist von ihm abgefallen wie Schuppen. Hat sich die Hose vollgemacht und alles mir in die Schuhe geschoben. Und an seinen Intellektuellen hat er nicht mal mehr gedacht, obwohl für den Hermaphroditen eigentlich die Tschetschenen verantwortlich sind. Er hat befohlen, den Text von der Seite zu nehmen und mich zu entlassen. Und nicht nur das, ich musste mich vorher obendrein noch vor der Videokamera verprügeln lassen.«
    »Warum das denn?«, fragte T.
    »Um es den Zoroastriern zu zeigen, wenn die eine Aussprache wollen … Er behauptet, Schmyga hätte das angeordnet. Aber mir hat man gesagt, das stimmt gar nicht, Schmyga hat bloß gebrummt: ›Der Schwachkopf, der sich das ausgedacht hat, müsste dafür eins in die Schnauze kriegen. Eins überziehen müsste man ihm, dass ihm Hören und Sehen vergeht.‹ Er hat im Grunde bloß so vor sich hin geflucht. Aber die haben das wortwörtlich genommen. Und mir mit dem Knüppel ordentlich eins übergezogen, dass ich nur noch Sterne gesehen habe. Der eigene Sicherheitsdienst, können Sie sich das vorstellen? Früher haben sie immer den Ausweis kontrolliert und die Hand an die Mütze gelegt …« Ariel schluchzte auf. »Das Projekt ist beendet.«
    »Endgültig?«, fragte T.
    »Hmh.«
    »Und der Kredit?«
    Ariel blickte T. mit zusammengekniffenen Augen an.
    »Wissen Sie was, Graf«, erwiderte er, »ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie absolut scheißegal mir das ist.«
    T. war beunruhigt.
    »Und was wird jetzt?«
    »Mit Ihnen oder mit mir?«, fragte Ariel.
    »Mit Ihnen«, erwiderte T. zuvorkommend.
    »Ich gehe weg von Süleyman. Aber nicht mit leeren Händen, wie die denken, sondern mit dem ganzen Material. Ich werde alles noch mal verkaufen.«
    »Wohin wollen Sie gehen?«
    »Ich weiß schon, wohin. Eine seriöse Organisation unter Oberst Urkins stellt eine Mannschaft für ein neues Projekt zusammen. Ein ironischer Retro-Shooter auf einer Source-Engine, er kommt in einer Version für PC und für Xbox raus. Die Konsolenversion gibt es zusammen mit einem Artbook, so wie bei der Sammleredition von World of Warcraft, wenn Ihnen das was sagt. Das Projekt soll entweder ›Dostojewskis Petersburg‹ heißen oder ›Ein Fenster nach Europa‹, das steht noch nicht fest. ›Ein Fenster nach Europa‹ finde ich nicht so gut. Dann denken alle, da geht es um die Ukraine und den Gasstreit. Aber ideologisch ist das Projekt sehr wichtig, deswegen haben sie trotz der Krise die Knete dafür aufgetrieben. Vorläufig sprudelt das Öl noch.«
    »Und wieso ist es so wichtig?«, fragte T., der beschlossen hatte, sich an den Lichtblicken der wenigen Worte und Bedeutungen zu orientieren, die ihm verständlich waren.
    »Sozusagen unsere Antwort an Chamberlain. 43 Die Amis haben einen Shooter für Xbox auf den Markt gebracht, der heißt ›Peterpaul‹: Vier amerikanische Matrosen – ein Schwarzer, ein Jude, ein Georgier und ein Chinese – retten die Welt vor dem doppelköpfigen russischen Imperator, 44 dem Sohn von Anastasia, der Hunnenprinzessin, und Rasputin. Wir wollen mit unserem Shooter zum Gegenschlag ausholen. Aber das alleine reicht nicht, die Amis müssen ihn ja auch noch kaufen. Deswegen gibt es zwei Versionen – eine für den Binnenmarkt und eine für den Export. Der Unterschied ist minimal, wir kehren einfach die Handlungslinie um: In der Variante für den Binnenmarkt drängt allerlei Gesindel aus Europa in Dostojewskis Petersburg und in der Exportvariante ist es umgekehrt.«
    »Und wieso ›Dostojewskis Petersburg‹?«, fragte T. »Was haben Sie bloß immer mit Tolstoi oder Dostojewski?«
    »Eifersüchtig?«, grinste Ariel. »Vergessen Sie‘s! Die wichtigste Kulturtechnologie des einundzwanzigsten Jahrhunderts ist die kommerzielle Aneignung fremder Gräber, nur damit Sie es wissen. Leichenfledderei ist bei uns das am höchsten geachtete Genre, weil es das direkte Pendant zur Erdölförderung ist. Früher dachte man,

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