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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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mit Recht): Es sei für eine Person von seinem Amte nicht schicklich, sich in seinen jetzigen Umständen an irgend einem Orte sehen zu lassen.
    Jones war unvermögend, das Vergnügen bei seiner Sophie zu sein auszuschlagen. Sonach marschierte er hin mit Junker Western und seinen Damen, und der Pfarrer Schickelmann machte den Nachtrab. Dieser hatte sich wirklich erboten, bei seinem Amtsbruder Schwöger zurückzubleiben, um seine Achtung für den ehrwürdigen Rock zu bezeigen, der ihm nicht erlaubte, ihn allein im Stiche zu lassen; Schwöger aber wollte diese Gefälligkeit nicht annehmen, sondern stieß ihn, nicht eben mit äußerster Höflichkeit, hinter Herrn Western her.
    Auf diese Weise schloß sich dieses blutige Scharmützel; und damit soll sich auch das fünfte Buch dieser Geschichte beschließen.

[235] Sechstes Buch.
    Mag ungefähr drei Wochen enthalten.
     
    Erstes Kapitel.
    Ueber die Liebe.
     
    In unserm letzten Buche haben wir uns genötigt gesehen, uns so ziemlich viel mit der Leidenschaft der Liebe abzugeben; und in unsrem folgenden Buche werden wir gezwungen sein, diesen Gegenstand noch umständlicher abzuhandeln. Es wird daher an dieser Stelle nicht unschicklich sein, uns auf die Untersuchung jener neuen Lehre einzulassen, wodurch gewisse Philosophen unter andren wundersamen Entdeckungen auch diese gemacht haben wollen, daß es keine solche Leidenschaft im Herzen des Menschen gebe.
    Ob diese Philosophen zu jener unbegreiflichen Sekte gehören, welcher der verstorbene Doktor Swift mit allen Ehren als solcher Menschen erwähnt, die bloß und allein durch die Stärke ihres Genies, ohne die geringe Beihilfe von irgend einiger Gelehrsamkeit oder nur Belesenheit, das tiefe und unschätzbare Geheimnis ausfindig gemacht haben, daß kein Gott sei; oder ob sie nicht vielmehr unter diejenigen zu zählen sind, welche seit einigen Jahren her die Welt dadurch sehr in Harnisch gejagt haben, daß sie beweisen wollen, in der menschlichen Natur sei nichts dergleichen zu finden, was man Tugend oder Güte nennt, und die unsre edelsten Handlungen aus dem Stolze herleiten, das will ich mir nicht anmaßen zu entscheiden. Im Grunde bin ich geneigt zu vermuten, daß alle diese verschiedenen Wahrheitsmacher gerade ebendieselben leibhaften Leute sind, welche von andern Goldmacher genannt werden. Der geheime Prozeß dieser im Verborgenen arbeitenden Adepten, sowohl auf Wahrheit als auf Gold, ist in der That ein und derselbe und besteht hauptsächlich darin, die
Prima materia
zu finden und darnach in einem schmutzigen Orte zu wühlen, zu suchen und zu untersuchen. Und für den ersten Fall wirklich in dem allerschmutzigsten aller Plätze, einem schlechten Gemüte.
    Doch, obgleich in diesem Betracht und vielleicht auch in Betracht dessen, was sie durch ihre Prozesse herausbringen, der Wahrheitsmacher und der Goldmacher sehr schicklich mit einander verglichen werden können: so findet doch in Ansehung der Bescheidenheit gewiß keine Vergleichung unter beiden statt. Denn wer hat [236] wohl von irgend einem Gold- und Rosenkreuzer gehört, der die Unverschämtheit und Thorheit gehabt hätte zu behaupten, daß deswegen, weil er nichts herausbringen können, kein solches Metall in der Welt sei, das man Gold nennt? Da hingegen der Wahrheitsmacher, wenn er den Stinkwinkel seines eigenen Gemüts durchgeackert hat, und nicht vermögend ist darin die mindeste Spur oder den geringsten Strahl der Göttlichkeit, noch irgend etwas Tugendhaftes, Gutes, Liebenswürdiges oder Liebendes zu entdecken, ganz aufrichtig, ehrlich und logikalisch schließt, dergleichen Dinge seien nirgends in der ganzen Schöpfung zu finden.
    Und gleichwohl, wenn es angeht allen Streit mit diesen Philosophen zu vermeiden (wenn sie nun einmal so heißen wollen), und um unsere Bereitwilligkeit zu zeigen, die Sache ganz friedlich unter uns abzumachen, so wollen wir ihnen hier einige Punkte einräumen, wodurch vielleicht dem ganzen Zanke ein Ende gemacht wird.
    Erstlich wollen wir eingestehn, daß manche Gemüter, und vielleicht gerade die Gemüter dieser Philosophen, von der leichtesten Spur solch einer Leidenschaft völlig rein sind.
    Zweitens, daß dasjenige, was man gemeiniglich Liebe nennt, nämlich: das Verlangen, seinen gierigen Appetit mit einer gewissen Quantität zarten, weißen Menschenfleisches zu stillen, keineswegs die Leidenschaft sei, für welche ich hier fechte. Das ist freilich, genauer bestimmt, Hunger; und so wie sich kein Fresser schämt, seinen Appetit

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