Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
Bärnes?« sagte Jones. – »Lieber Jott, kennt Ihr denn Herrn Hans Bärn's nicht? Wo kommt Ihr denn hähr?«
Diese beiden Kerle hatten so Jones' Geduld beinahe auf die Neige gebracht, als ein schlicht und wohl gekleideter Mann (es war wirklich ein Quäker) ihn folgendermaßen anredete: »Freund, ich merk's, du hast deinen Weg verloren, und wenn du meinem guten Rat folgen willst, so wirst du dich nicht verjebens bemühen, ihn heute Abend zu finden. Es ist beinah' schon dunkel, und die Straße ist nicht leicht zu rahmen; überdem sind die Wäge zwischen hier und Bristol nicht sicher vor Jaudieben. Hier ist eine richt jute Härberge dicht hier bei. Da kannst du für dich und dein Vieh Lebens Nahrung und Notdurft finden, und jute Härberge bis morgen.« Jones ließ sich's nach einigem Zureden gefallen, bis morgen in diesem Orte zu bleiben, und ward von seinem Freunde nach der Dorfschenke begleitet.
Der Wirt, ein sehr höflicher Kerl, sagte zu Jones, er hoffe, [26] er würde mit einer schlechten Bewirtung vorlieb nehmen, denn seine Frau wäre über Feld gegangen, habe im Hause fast alles verschlossen und die Schlüssel mitgenommen. Das wahre Verhalten an der Sache war, sie hatte eben eine Tochter, ihr Schoßkind, verheiratet, und die war diesen Morgen mit ihrem Manne nach seinem Hause gezogen, und diese nebst ihrer Mutter hatten den armen Schlucker fast rein ausgeplündert, sowohl an Hausrat, als an Geld. Er hatte freilich mehr Kinder, aber diese Tochter war der Augapfel der Mutter, und sie sorgte also nur für diese; und diesem einen Kinde zu Gefallen hätte sie alle übrigen aufgeopfert, und ihren Ehemann obendrein.
Tom Jones war zwar gar nicht zur Gesellschaft aufgelegt und wäre lieber allein gewesen. Dennoch konnte er der Zudringlichkeit des ehrlichen Quäkers nicht widerstehen, welcher um so geschäftiger war, sich zu ihm zu setzen, da er die Melancholie bemerkt hatte, welche sich in seinen Mienen und seinem Betragen äußerte, und welche der gute Quäker durch seine Unterredung ein wenig zu zerstreuen meinte.
Nachdem sie einige Zeit auf solche Weise mit einander zugebracht hatten, daß mein ehrlicher Freund hätte glauben können, er befände sich in einer von seinen stillen Zusammenkünften, fing der Quäker an, von einem oder dem andern Geiste, vermutlich wohl vom Geiste der Neugierde, getrieben zu werden, und sagte: »Freund, ich werde jewahr, dir muß ein trauriger Unfall bejegnet sein. Aber sei jutes Muts, ich bitte dich. Vielleicht hast du einen juten Freund verloren. Nun, wenn dem so ist, so mußt du bedenken, daß wir alle sterblich sind. Und warum wolltest du dich j'rämen, da du weißt, daß dein Freund davon kein Frommen hat? Wir sind alle zum Leiden jeboren; ich selbst habe meinen Kummer sowohl als du, und sehr wahrscheinlich ist er jrößer als der deinige. Ich habe zwar ein Jütjen, das mir des Gahrs seine sechshundert Thaler einträgt, und das ist so viel, daß ich nicht mehr bejähre; und ich habe ein jut Jewissen, und danke Jott, daß ich nicht bin wie von Sodom und Jommorha. Meine Jesundheit ist jut und stark, und niemand ist da, der mich um eine Schuld mahnen könnte, noch mich zu verklagen hätte, um eine bejangene Unjerechtigkeit bei der Gustitz – und doch, Freund, es sollte mir nahe jehn, wenn ich denken sollte, du wärest eben so schlimm daran als iche.«
Hier endigte der Quäker mit einem tiefen Seufzer, und Jones antwortete sogleich: »Es thut mir sehr leid, Herr, daß Sie sich unglücklich fühlen, es liege woran es liege.« – »O Freund,« erwiderte der Quäker, »es liegt an einer einijen Tochter. Die war meine j'rößeste Freude auf Erden, und die ist mir diese Woche davon jelaufen [27] und hat sich wider meinen Willen verheiratet. Ich hatte für eine hübsche Partie für sie jesorget, einen wackern, verständijen Mann, der was einzubrocken hatte; aber nein, da hört sie nur ihren eijenen Willen und Wahl, und fort ist sie jejang'n mit einem gungen Kerl, der keinen Dreyer in der Ficke hat. Wenn sie jestorben wäre, wie ich j'laube dein Freund ist, so wär' ich jelücklich jewesen.« – »Das ist sehr sonderbar, mein Herr!« sagte Jones. – »Wie so?« versetzte der Quäker. »Wäre es für sie nicht besser tot zu sein, als eine Bettlerin? Denn, wie ich jesagt habe, der Kerl hat keinen Dreier in der Ficke! und bei Mannen-Wahrheit, sie kann nicht erwarten, daß ich ihr in meinem Leben einen I'roschen jeben werde. Nein! hat sie aus Liebe jeheiratet, so mag sie nun auch von
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