Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
Vom Netzwerk:
Gasse, rannte er ihm gerade auf den Leib, und das Gespenst sah ganz weiß aus und fiel über den armen Franz her, und Franz, ein handfester Bursche, fiel über den Geist her, und da ging's an ein Gebalge miteinander und der arme Franz ward greulich geprügelt. Endlich that er freilich sein Bestes, nach Hause zu kriechen, aber von dem Prügeln und von der Angst und von dem Grauen lag er doch seine vierzehn Tage zu Bette, und die Sache ist sicherlich wahr und das ganze Kirchspiel kann und wird's bezeugen.«
    Der Fremde lächelte über die Geschichte und Jones konnte sich des Lautlachens nicht enthalten, worauf Rebhuhn schrie: »Ja, ja! Lachen Sie nur zu, Herr, das haben andre auch gethan, besonders ein gewisser Junker, der nun eben nicht viel besser sein mag als ein Atheist, der meinte so, weil man am nächsten Morgen ein Kalb mit einer weißen Blessen tot in derselben Gasse gefunden hatte, so müsse die Schlägerei zwischen diesem Kalbe und Franz vorgefallen sein. Das hätt' er gern so ausgebracht; ja, als ob auch ein Kalb einen Menschen anfiele. Ueberdem noch sagte mir Franz, er wüßte wohl, daß es ein Geist gewesen sei und das könne er vor jedem Gerichte der ganzen Christenheit beschwören, und er habe den Abend nur ein oder ein paar Maß Doppelbier getrunken gehabt. Gott sei uns armen Sündern gnädig und halte unsre Hände rein von Blutschulden! pflege ich zu sagen.«
    »Wohlan mein Herr,« sagte Jones zu dem Fremden, »Rebhuhn [118] hat seine Geschichte geendigt und wird Sie, wie ich hoffe, nicht ferner unterbrechen.« Er knüpfte also den Faden seiner Erzählung wieder an, allein weil er eine Zeitlang her Atem geschöpft hatte, so halten wir für dienlich, unsre Leser gleichfalls zu Atem kommen zu lassen und wollen sonach dem gegenwärtigen Kapitel ein Ende machen.

Zwölftes Kapitel.
    Der Mann vom Berge fährt in seiner Geschichte fort.
     
    »Meine Freiheit hatte ich nun wieder erhalten,« sagte der Fremde, »aber ich hatte meinen ehrlichen Namen verloren! Denn es ist ein gar weiter Unterschied zwischen dem Zustande eines Mannes, welcher bloß gerichtlicherweise von einem Verbrechen freigesprochen wird, oder desjenigen, den sein Herz und die Meinung des Volkes für unschuldig erklären. Ich war mir meines Vergehens bewußt und schämte mich, irgend einem Menschen unter die Augen zu sehen. Deswegen entschloß ich mich gleich den nächsten Morgen, ehe das Tageslicht mich den Augen der Zuschauer entdecken könnte, Oxford zu verlassen.
    Als ich die Stadt weit genug hinter mir hatte, kam es mir anfänglich in die Gedanken, nach Hause zu meinem Vater zu kehren und seine Verzeihung zu erhalten zu trachten; da ich aber nicht zweifeln konnte, er müßte alles Vergangene erfahren haben, und da ich seinen großen Abscheu vor allen unredlichen Handlungen gar zu gut kannte, so durfte ich mir keine Hoffnung machen, daß er mich aufnehmen würde, zumal da ich der freundschaftlichen Dienste zu gewiß war, die mir meine Mutter nach allem ihrem Vermögen leisten würde. Ja, wär' ich auch der Verzeihung meines Vaters ebenso gewiß gewesen, als gewiß ich mir seinen Zorn vorstellte, so zweifle ich doch, ob ich die Dreistigkeit gehabt hätte, vor sein Angesicht zu treten, oder ob ich mich unter irgend einer Bedingung hätte drein ergeben können, unter Menschen zu leben und mit ihnen Umgang zu pflegen, welche, wie ich nicht anders glauben konnte, wußten, daß ich ein so niederträchtiges Verbrechen begangen hatte.
    Sonach eilte ich wieder zurück nach London, dem besten Zufluchtsorte sowohl für Gram als Scham, wofern die Personen nicht gar zu bekannt oder berühmt sind, denn hier hat man den Vorteil der Einsamkeit ohne ihre Beschwerden, weil man zu gleicher Zeit einsam oder in Gesellschaft sein kann, und weil man ganz unbemerkt an öffentlichen Orten gehen oder sitzen kann, derweil Lärmen, Gewimmel und Getümmel und eine beständige Abwechslung der Gegenstände [119] das Gemüt unterhalten, und das eigne Bewußtsein verhindern, an sich selbst oder vielmehr an Reue und Scham zu nagen, welche für dasselbe die ungesundesten Nahrungsmittel von der Welt sind und wovon sich viele (ob es gleich oft manche gibt, welche davon nie einen Bissen anders als vor den Augen einer Menge Zuschauer zu sich nehmen) sehr reichlich, obgleich bitterlich, speisen, wenn sie sich mit sich selbst allein befinden.
    So wie es aber kein menschliches Gute in der Welt gibt, das nicht zugleich sein eignes Uebel bei sich führen sollte, so gibt es auch

Weitere Kostenlose Bücher