Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
Vom Netzwerk:
ihre Person zu kennen, und wer es gewesen, der ihm eine Belohnung versprochen hätte, wenn er sie verriete? Zugleich befahl sie auch, daß morgen früh um vier Uhr die Pferde bereit sein sollten, um welche Stunde Madame Fitz Patrick ihr Gesellschaft zu [252] leisten versprach; und hierauf faßte sie sich so gut wie möglich und bat diese Dame, mit ihrer Geschichte fortzufahren.

Siebentes Kapitel.
    Worin Madame Fitz Patrick ihre Geschichte beschließt.
     
    Unterdessen, daß Jungfer Honoria dem Befehl ihrer Gebieterin zufolge eine Schale Punsch machen ließ und den Herrn Wirt und die Frau Wirtin dazu einlud, fuhr Madame Fitz Patrick folgendergestalt in ihrer Erzählung fort:
    »Die meisten von den Offizieren, welche in einem Flecken unsrer Nachbarschaft im Quartiere lagen, waren von meines Herrn Gemahls Bekanntschaft. Unter diesen befand sich ein Leutnant, ein sehr hübscher Schlag von einem Mann, der mit einer Frau verheiratet war, die ich beides, von Gemüt und Umgang, so angenehm fand, daß wir vom ersten Augenblick unsrer Bekanntschaft an, die wir machten, als sie eben aus den Wochen gekommen, fast unzertrennliche Gefährtinnen waren; denn ich war so glücklich, mir in gleichem Grad ihre Gewogenheit zu erwerben.
    Der Leutnant, der weder ein Dummkopf noch ein Jäger war, befand sich oft in unsrer kleinen Gesellschaft; in der That hatte er nur wenig Umgang mit meinem Manne, und grade nur so viel, als ihm die gute Lebensart auferlegte, weil er übrigens fast beständig in unserm Hause war. Mein würdiger Eheherr bezeigte oft sein Mißvergnügen darüber, daß der Leutnant meine Gesellschaft der seinigen vorzöge, und war deshalb nicht wenig zornig auf mich, und stieß manchen bittern Fluch über mich aus, daß ich ihm seine Gesellschaft wegnehme, und sagte: Ich müßte eigentlich noch die Hölle dafür fegen, daß ich einen der wackersten Kerls verdorben und daraus einen weichen Weibling gemacht hätte.
    Sie würden sich sehr irren, meine teure Sophie, wenn Sie sich einbildeten, daß mein Mann sich deswegen geärgert habe, weil ich ihm einen Gesellschafter entzogen; denn der Leutnant war nicht der Mann, an dessen Umgang ein Narr Gefallen finden konnte; und wenn ich auch die Möglichkeit zugäbe, so hatte mein Herr Ehegemahl doch so wenig Recht, den Verlust eines seiner Gefährten auf mich zu schieben, daß ich überzeugt bin, er würde niemals unser Haus betreten haben, wenn es nicht meinetwegen geschehen wäre.
    Nein, liebes Kind; Neid war es, die schlimmste, vergrollteste Art von Neid, Neid über Vorzug des Verstandes! Der ärmliche Mensch konnte es nicht dulden, daß ein Mann, auf den er ganz und gar nicht eifersüchtig sein könnte, meinen Umgang dem seinigen vorzöge. [253] O, meine teure Sophie, Sie sind ein Frauenzimmer, das viel Verstand besitzt! Wenn Sie einen Mann heiraten, der, wie es höchst wahrscheinlich der Fall sein wird, nicht so reichlich mit Verstand begabt ist als Sie selbst, so setzen Sie ja seine Gemütsart noch vor der Heirat auf oft wiederholte Proben, um zu wissen, ob er einen solchen Vorzug zu ertragen fähig sei. – Versprechen Sie mir's, meine Sophie, daß Sie diesen Rath befolgen wollen; Sie werden hernach schon finden, wie wichtig er ist.« – »Allem Anschein nach werde ich niemals heiraten,« antwortete Sophie; – »wenigstens bin ich nicht gesonnen, einen Mann zu heiraten, in dessen Verstande ich vor der Heirat Fehler gewahr werde; und ich versichre Sie, ehe ich dergleichen nachher bemerken wollte, würde ich lieber meinen eignen Verstand verleugnen.« – »Ihren eignen Verstand verleugnen!« erwiderte Madame Fitz Patrick. – »O pfui doch, Kind! daß ich eine solche Aermlichkeit von Ihnen glauben soll. Eh' könnte man mich dahin bringen, auf alles übrige Verzicht zu thun, als darauf. Die Natur würde dem Weibe diesen Vorzug in so mancherlei Dingen und Vorfällen nicht erteilt haben, wenn sie gewollt hätte, daß wir ihn so gänzlich dem Willen des Mannes übergeben sollten. Vernünftige Männer erwarten dies von uns auch niemals; und der Leutnant, dessen ich eben erwähnt habe, gab hievon ein merkwürdiges Beispiel; denn ob er gleich sehr viel Verstand hatte, so räumte er doch beständig ein, daß seine Frau noch mehr habe, wie es denn wirklich die Wahrheit war. Und dies mochte vielleicht wohl eine von den Ursachen sein, warum mein Haustyrann sie haßte.
    Ehe er sich von einem Weibe wollte beherrschen lassen, sagte er, besonders von einer so häßlichen Vettel, (denn sie war

Weitere Kostenlose Bücher