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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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Unglück aber waren beide auf eine von diesen wenigen Gelegenheiten gestoßen. Wir haben bereits gesehn, daß Rebhuhn es nicht vertragen konnte, daß [34] man seine Gelehrsamkeit antastete, und Jones konnte einige Stellen in der angeführten Rede ebensowenig vertragen. Er sah daher seinen Gefährten an mit einer verachtungsvollen zornigen Miene (eine Sache, die ihm gar nicht gewöhnlich war) und sagte: »Rebhuhn, ich sehe, Er ist ein eingebildeter alter Narr. Und ich wünschte, Er wäre nicht auch zugleich ein alter Schelm. Wirklich, wenn ich von dem letztern ebenso gewiß überzeugt wäre, als ich's von dem erstern bin, so sollte Er in meiner Gesellschaft gewiß nicht weiter reisen.«
    Der weise Pädagog begnügte sich mit der Erleichterung, die er seinem Herzen durch die Ausschüttung seines Aergers bereits gegeben hatte, und zog, wie der gemeine Mann zu sagen pflegt, augenblicklich seine Hörner wieder ein. Er sagte: es thäte ihm herzlich leid, wenn er was gesagt haben sollte, was nicht recht und schicklich wäre, denn er habe es gewiß nicht böse gemeint; aber
nemo omnibus horis sapit.
    So wie Jones die Fehler einer hitzigen Gemütsart an sich hatte, so war er von den Fehlern einer kalten hingegen auch völlig frei, und wenn seine Freunde bekennen mußten, daß er ein wenig zu leicht auffuhr, so müssen auch seine Feinde ebenfalls bekennen, daß sein Zorn ebenso leicht verrauchte. Seine Gemütsart glich keineswegs der See, deren Wellen und Wogen heftiger und gefährlicher sind, wenn der Sturm vorübergegangen ist, als solange noch der Sturm selbst dauert. Er war durch Rebhuhns Bekenntnis augenblicklich versöhnt, schüttelte ihm die Hand und sagte ihm mit der leutseligsten Miene, die sich nur erdenken läßt, wohl zwanzig gütige Sachen, und verdammte sich zu gleicher Zeit selbst sehr streng, obgleich nicht halb so streng, als er höchst vermutlich von manchem unsrer guten Leser verdammt werden würde.
    Rebhuhn war wieder sehr frohen Muts; denn seine Furcht, etwas beleidigendes gesagt zu haben, war in einem Augenblick verschwunden und sein Stolz dadurch völlig befriedigt, daß Jones sich selbst Unrecht gab; welches Geständnis Rebhuhn augenblicklich auf den Punkt bezog, der ihm eigentlich gewurmt hatte. Er sagte daher mit einer halb leisen Stimme zwischen den Zähnen: »Gewißlich, gnädiger Junker, Ihre Einsichten mögen in verschiedenen Dingen die meinigen übertreffen: was aber die Grammatik anlangt, sollt' ich meinen, da kann ich jeden lebendigen Menschen herausfordern, die sollt' ich meinen, wüßt' ich wenigstens vom Anfang bis Ende.«
    Wenn noch irgend etwas die Zufriedenheit vermehren konnte, welche jetzt der arme Mann genoß, so ward ihm dieser Zusatz durch die Ankunft einer vortrefflichen Schöpsenkeule gewährt, die in diesem Augenblick rauchend heiß zu Tisch gebracht wurde. Nachdem sich [35] beide an derselben nach Herzenslust gelabt hatten, setzten sie sich wieder zu Pferde und machten sich auf den Weg nach London.

Vierzehntes Kapitel.
    Was dem Herrn Jones auf seinem Wege von Sankt Albans nach London begegnete.
     
    Sie waren ungefähr eine kleine Stunde Weges hinter Barnet gekommen, und es war bereits in der Abenddämmerung, als ein Mann von artigem Ansehn, aber auf einem sehr schäbigen Pferde auf Herrn Jones zuritt und ihn fragte, ob sein Weg nach London ginge, worauf Jones mit Ja antwortete. Der fremde Herr versetzte: »Ich würde Ihnen verbunden sein, mein Herr, wenn Sie sich meine Gesellschaft wollten gefallen lassen, denn es fängt an spät zu werden und ich bin des Weges unkundig.« Jones willigte sehr gerne in sein Verlangen und so ritten sie mit einander fort und führten die Art von Gesprächen, welche bei solchen Gelegenheiten gewöhnlich sind.
    Straßenräuberei war gleichwohl der vornehmste Inhalt dieser Gespräche, ein Punkt, worüber der Fremde große Besorgnis äußerte; Jones aber erklärte, er habe sehr wenig zu verlieren und folglich ebensowenig zu fürchten. Hier konnte Rebhuhn sich nicht enthalten, seinen Senf mit dazu zu geben. »Eur Gnaden,« sagte er, »mögen's wohl für wenig halten! Aber ich, bei meiner Treue! wenn ich eine Banknote von hundert Pfund in meiner Tasche hätte, wie Sie haben, so sollte mir's sehr leid thun, drum gebracht zu werden. Doch meinesteils hab' ich mich in meinem Leben nie so wenig gefürchtet als jetzt; denn unser sind vier, und wenn wir Fuß bei Fuß setzen, so biet' ich dem Manne Trotz, der uns berauben wollte. Gesetzt auch, er hätte eine

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