Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
ausgeplaudert,) und ich habe mehr gehört, als Sie wissen. Die Sachen gehen besser, das versichre ich Sie, als Sie denken, und ich möchte dem Herrn Blifil für alle seine Hoffnungen und Ansprüche, die er auf das Fräulein hat, keinen schlechten Groschen geben.«
»In der That, meine teuerste Freundin, in der That,« antwortete Jones, »Ihnen ist die Ursache meines Grams ganz und gar unbekannt; wüßten Sie die ganze Geschichte, Sie würden gerne zugeben, daß für mich weiter kein Trost zu finden ist. Ich fürchte keine Gefahr von Blifil, ich selbst habe mich zu Grunde gerichtet.« – »Verzweifeln Sie nicht,« versetzte Madame Miller, »Sie wissen noch nicht, was ein Weib ausrichten kann; und wenn nur irgend etwas in meinem Vermögen steht, so versichre ich Sie, will ich es anwenden, um Ihnen zu dienen. Mein Sohn, mein lieber Sohn [230] Nachtigall, der so gütig ist mir zu sagen, er habe Ihnen in diesem Punkte ebenfalls viel freundschaftliche Dienste zu verdanken, weiß, es ist meine Pflicht. Soll ich selbst zu dem Fräulein hingehen? Ich will ihr gern alles sagen, was Sie ihr zu sagen wünschen.«
»Edelste, beste Freundin!« rief Jones und nahm sie bei der Hand, »sprechen Sie nicht von Verbindlichkeiten. – Jedoch, da Sie so gütig selbst darauf verfallen sind, es steht vielleicht in Ihrem Vermögen, mir eine Gunst zu erzeigen. Ich sehe, Sie kennen das Fräulein (wie und auf welche Art Sie es erfahren haben, weiß ich nicht), welche mir so unendlich nahe am Herzen liegt. Könnten Sie einen Weg ausfindig machen, ihr dieses zu überreichen (er stellte ihr dabei ein Papier zu, das er aus der Tasche zog), so werde ich Ihnen für Ihre Güte unendlich verbunden sein.«
»Geben Sie es her,« sagte Madame Miller. »Wenn ich es nicht in ihren Händen sehe, bevor ich schlafen gehe, so möge mein nächster Schlaf mein letzter sein! Fassen Sie Mut, mein edler junger Mann! Sein Sie weise genug, sich durch vergangne Thorheiten warnen zu lassen, und ich stehe dafür, es soll noch alles gut werden, und ich werde Sie noch mit dem liebenswürdigsten Fräulein von der Welt glücklich sehen; denn das ist sie, wie ich von jedermann höre.«
»Glauben Sie mir, Madame,« sagte er, »ich spreche nicht das gewöhnliche Geschwätz eines Menschen in einer unglücklichen Lage; ehe mich noch dieser entsetzliche Zufall betraf, hatte ich bereits beschlossen, ein Leben zu bessern, dessen Gottlosigkeit sowohl als Thorheit ich einsehen gelernt hatte. Ich versichere Sie, ungeachtet der Unruhen, die ich so unglücklicherweise in Ihrem Hause veranlaßt habe und wegen welcher ich herzlich um Verzeihung bitte, bin ich dennoch kein völlig verderbter, liederlicher Mensch, denn ob ich mich gleich habe zu Lastern verleiten lassen, so habe ich doch keinen Gefallen an einem lasterhaften Charakter, und ich werde niemals von diesem Augenblicke an wieder darein verfallen.«
Madame Miller bezeigte ihre große Zufriedenheit über diese Erklärung, in deren Aufrichtigkeit sie, nach ihrer Versicherung, ein völliges Vertrauen setzte. Und nunmehr bestand die folgende Unterredung in den vereinten Bemühungen dieser guten Frau und ihres Schwiegersohns Nachtigall, das niedergeschlagene Gemüt des Herrn Jones aufzurichten, womit es ihnen insofern glückte, daß sie ihn getrösteter und munterer verließen als sie ihn gefunden hatten. Zu dieser glücklichen Veränderung trug nichts stärker bei als das gütige Unternehmen der Madame Miller, Sophien den Brief zu überbringen, weil er verzweifelt war, ein Mittel ausfindig zu machen, es auf eine andre Art zu bewerkstelligen, denn als der schwarze Jakob den letzten von Sophien überbrachte, gab er Rebhuhn die Nachricht, sie habe ihm aufs strengste und bei Strafe, daß ihr Vater es erfahren solle, verboten, eine Antwort zurückzubringen. Ueberdem war es ihm nicht wenig angenehm zu finden, daß er an diesem edlen Weibe, welches in der That eines der würdigsten Geschöpfe von der Welt war, eine so warme Fürsprecherin bei Herrn Alwerth habe.
[231] Nach einem etwa stundenlangen Besuche von der Frau Miller (denn Nachtigall war länger bei ihm gewesen) nahmen sie beide ihren Abschied und versprachen, bald wieder zu ihm zu kommen; alsdann, sagte Madame Miller, hoffte sie, ihm fröhliche Botschaft von seiner Geliebten zu bringen, und Herr Nachtigall versprach, sich nach dem Zustande der Wunde des Herrn Fitz Patrick zu erkundigen und gleichfalls auch einige von den Personen aufzusuchen, die bei dem Renkontre zugegen
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