Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
Alwerth, »wenn Sie es mir erlauben, so will ich es noch einmal über mich nehmen, mit dem lieben Fräulein ein vernünftiges Wort zu sprechen.« – »Wollen's?« fragte Western. »Nun sehn Sie, das is freundnachbarlich! Und wer weiß? richten Sie wohl mehr aus, als ich hab' thun könn'n bei ihr; denn, daß Sie's nur wissen, sie hält verteufelt große Stücke auf Sie!« – »Gut! gut! lieber Herr Nachbar,« sagte Alwerth; »wenn Sie nur hingehn wollen, und das Fräulein aus ihrer Gefangenschaft frei lassen, so will ich ihr in einer halben Stunde meine Aufwartung machen.« – »Ja! aber,« sagte Western, »was denn, wenn s' unter der Zeit mit'n d'rvon läuft? denn der Linksmacher Dowling sagt mir ja, daß keine Hoffnung mehr ist, daß den Kerl der Scharfrichter noch kriegt, weil der andre Mann noch lebt, und wieder besser werd'n will; und daß 'er meint, der Jon's wird all' Augenblick wieder loskommen.« – »Wie das?« sagte Alwerth, »haben Sie sich sein etwa bedient, um sich nach der Sache zu erkundigen, oder dabei sonst etwas zu thun?«
»Das hab' ich wohl bleiben lass'n!« antwortete Western. »Er sagt' mir's eb'n, eh' ich herging, aus frei'n Stücken.« – »Eben erst?« rief Alwerth; »wo sahen Sie ihn denn? Ich hätte Herrn Dowling notwendig zu sprechen.« – »Je nu! Sie könn'n gleich sprechen in mein'n Haus; denn da kommt 'n ganz Schlag Afkaten zusammen diesen Morgen übern' Hipetheke. Der ehrliche Karnalje von Nachtigall! Ich wollt', daß 'n der Satan 's Licht hielt! der wird mich, glaub ich, noch um 'n zwei oder drei tausend Pfund herum helfen!« »Nun dann,« sagte Alwerth, »ich will bei Ihnen sein, eh' eine halbe Stunde vergeht.« – »Und lass'n Sie sich 'nmal,« schrie der Junker, »von 'n Narr'n ein'n Rat geben, und lass'n das ewge in Güt' und Lindigkeit Versuchen beiseit'; denn [276] 's thut 's nicht! glaub'n S' mir auf mein Wort; ich hab's schon lang gnug versucht. Verblüfft muß sie werden, sonst geht's nicht, sag' ich. Sag'n S' ihr, daß 'ch ihr Vater bin, und von der grausamen Sünd' des Ungehorsams, und von der gräßlichen Straf' in der Hölle, und dann, sag'n Sie 'r so was von Einschließen in dieser Welt, und bei Wasser und trocknem Brod in 'm finstern Kämmerchen, ha!« – »Ich will alles thun, was ich kann,« sagte Alwerth, »denn ich versichre Sie, ich wüßte nichts, was ich mehr wünschte, als mit diesem liebenswürdigen Geschöpfe verwandt zu werden.« – »Je nun! was das anbelangt,« rief der Junker, »gut genug ist das Mädchen nun dazu wohl; ein Mensch könnt' wohl weiter gehn, und 's wohl schlimmer treff'n; so viel darf 'ch wohl von 'r sagen, obschon sie mein' eigen' Tochter ist. Und wenn sie mir nur fein gehorsam ist, so ist kein Vater uf hundert Meilwe'gs in die Runde, der 'ne Tochter lieber hab'n kann, als ich thue! Aberst, ich seh', Sie hab'n was zu thun mit den Frau'ensen hier, und so will 'ch nur nach Haus' gehn, und auf Sie warten; und somit Gott befohl'n.«
Sobald als Herr Western fort war, sagte Madame Waters: »Ich sehe, der Herr von Western erinnert sich ganz und gar meines Gesichts nicht mehr. Ich glaube, Herr von Alwerth, Sie würden mich ebensowenig wieder gekannt haben. Ich bin gar merklich verändert, seit dem Tage, da Sie mir den gütigen Rat gaben, welcher mich glücklich gemacht haben würde, wenn ich ihn befolgt hätte.« – »In der That, Madame,« versetzte Alwerth, »es that mir sehr leid, als ich zuerst das Gegenteil erfuhr.« – »Wirklich, Herr von Alwerth,« sagte sie, »ward ich durch sehr tief angelegte boshafte Pläne zu Fall gebracht, die, wenn Sie sie wüßten (ob ich gleich eben nicht so weit gehen will, zu denken, es würde mich in Ihrer Meinung ganz rechtfertigen), wenigstens meine Vergehungen mildern, und Sie dahin bringen würden, mich zu bedauern. Sie haben jetzt nicht die Zeit, meine ganze Geschichte zu hören; dieß aber versichre ich Sie, daß ich durch die feierlichsten Ehversprechungen überlistet ward; ja, in den Augen des Himmels war ich mit ihm verheiratet; denn, nachdem ich viel über diese Sache gelesen hade, bin ich überzeugt worden, daß gewisse Zeremonien nur dazu erfordert werden, um der Ehe eine gesetzliche Sanktion zu geben, und nur den weltlichen Nutzen haben, einer Weibsperson die Privilegien einer Ehefrau zuzusichern; daß aber eine Person, welche nach einer feierlichen, obgleich geheimen Zusage, beständig mit einem Manne lebt, die Welt mag sie nun nennen, wie sie will, in ihrem Gewissen darüber nicht
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