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Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Titel: Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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mußte, wenn sie in irgendeinem fremden Lande alles hinter sich ließen, ihre Freunde, ihre Bindungen, die Fehler ihrer Vergangenheit, und sich auf den Weg nach Amerika machten. Reiner Tisch gemacht! Was auch immer mit Dickie geschah, er wollte seine Sache gut machen, und Mr. Greenleaf würde wissen, daß er sie gut gemacht hatte und würde ihn achten dafür. Wenn das Geld von Mr. Greenleaf aufgebraucht war, mußte er ja nicht unbedingt nach Amerika zurückfahren. Vielleicht bekam er einen interessanten Job, in einem Hotel zum Beispiel, wo man jemanden brauchte, der intelligent war, gut aussah und Englisch konnte. Oder irgendein europäisches Unternehmen stellte ihn als Vertreter an, und er kam in der ganzen Welt herum. Oder er lief irgendeinem über den Weg, der gerade so einen jungen Mann brauchte wie ihn, einen jungen Mann, der Auto fahren konnte, der eine alte Oma unterhalten oder auch ein Töchterlein zum Tanz führen konnte. Er war so vielseitig, und die Welt war so weit! Er schwor sich, daß er den Job halten würde, wenn er ihn einmal hätte. Geduld und Ausdauer! Aufwärts und voran!
    »Haben Sie den ›Ambassador‹ von Henry James?« fragte Tom den Angstellten in der Bücherei der Ersten Klasse. Das Buch stand nicht im Regal.
    »Bedaure, mein Herr, haben wir nicht«, sagte der Angestellte.
    Tom war enttäuscht. Dieses Buch hatte Mr. Greenleaf gemeint, als er ihn fragte, ob er es gelesen hätte. Tom hatte das Gefühl, daß er es lesen sollte. Er ging in die Bücherei der Zweiten Klasse. Er fand das Buch im Regal, aber als er es eintragen lassen wollte und seine Kabinenummer nannte, bedauerte der Bedienstete sehr, aber Passagieren der Ersten Klasse sei die Benutzung der Bibliothek Zweiter Klasse nicht gestattet. Das hatte Tom befürchtet. Folgsam stellte er den Band wieder hin, obwohl es leicht gewesen wäre, so leicht, ein bißchen an dem Regal herumzufummeln und das Buch unter dem Jackett verschwinden zu lassen.
    Morgens schlenderte er ein paarmal um das Deck herum, sehr langsam, so daß die Leute, die pustend ihren morgendlichen Verdauungsgang ableisteten, ihn stets drei- oder viermal überholten, ehe er einmal herum war, dann ließ er sich in seinen Liegestuhl nieder, um eine Fleischbrühe zu sich zu nehmen und noch ein bißchen über sein Geschick nachzudenken. Nach dem Mittagessen trödelte er in seiner Kabine herum, aalte sich in ihrer Abgeschiedenheit und Bequemlichkeit und tat absolut nichts. Manchmal saß er auch im Schreibzimmer, malte bedachtsam auf dem Schreibpapier des Schiffes Briefe an Marc Priminger, an Cleo, an die Greenleafs. Der Brief an die Greenleafs begann mit einem höflichen Gruß und einem Dank für den Präsentkorb und für all die Annehmlichkeiten, aber er machte sich einen Spaß und fügte noch einen erdichteten, vordatierten Absatz an, in dem er beschrieb, wie er Dickie gefunden habe und wie er bei ihm in seinem Haus in Mongibello wohnte, wie er langsam, aber stetig vorankäme in seinem Bemühen, Dickie zur Heimkehr zu überreden, er schrieb vom Schwimmen, Angeln, vom Treiben in den Cafés, und es riß ihn so mit, daß er acht oder zehn Seiten vollschrieb, er wußte, keine davon würde er je abschicken, also schrieb er weiter, daß Dickie kein tieferes Interesse an Marge Sherwood habe (er gab eine vollständige Charakteranalyse von Marge Sherwood), es sei also nicht Marge, die ihn hier festhalte, entgegen der Vermutung Mrs. Greenleafs, und so weiter, und so weiter, bis der Tisch bedeckt war mit beschriebenem Papier und der erste Gong zum Abendessen ertönte.
    An einem anderen Nachmittag schrieb er ein paar höfliche Zeilen an Tante Dottie:
    »Liebes Tantchen [so nannte er sie ganz selten in Briefen und niemals, wenn er vor ihr stand],
    wie Du am Briefpapier siehst, bin ich auf hoher See. Eine unerwartete geschäftliche Angelegenheit, die ich jetzt nicht näher erklären kann. Ich mußte ziemlich plötzlich abreisen, deshalb war es mir nicht möglich, nach Boston hinüberzukommen, und das tut mir leid, weil es Monate oder sogar Jahre dauern kann, bis ich wieder zurück bin.
    Ich wollte Dir nur sagen, daß Du Dir keine Sorgen zu machen brauchst und mir keine Schecks mehr schicken sollst, vielen Dank. Ich bedanke mich sehr für den letzten vor einem Monat oder so. Ich nehme nicht an, daß du seitdem noch einen geschickt hast. Mir geht es gut und ich bin vollkommen glücklich.
    In Liebe Dein Tom«
    Sinnlos, ihr irgendwelche guten Wünsche für ihre Gesundheit zu schicken. Sie war

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