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Tom Thorne 01 - Der Kuß des Sandmanns

Tom Thorne 01 - Der Kuß des Sandmanns

Titel: Tom Thorne 01 - Der Kuß des Sandmanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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OM ?
    S IE GEWÖHNEN SICH LANGSAM AN B LUT , NICHT WAHR ?
    N UN JA , WENN S IE R ECHT HABEN , SEHE ICH S IE WAHR SCHEINLICH SEHR BALD .
    G RÜSSE …
     
    Holland ließ sich aufs Sofa fallen. Thorne las den Brief ein zweites Mal. Und ein drittes Mal. Die Arroganz war atemberaubend. Der Brief schien wenig Sinn zu machen. Es gab keine Enthüllungen oder Ankündigungen. Er war pure … Zurschaustellung.
    Er ging in die Küche, stellte den Wasserkocher an und spülte zwei Kaffeetassen aus. Warum hatte Bishop das Bedürfnis, dies zu tun? Warum köderte er Thorne mit Maggie Byrne, obwohl er schon längst angebissen hatte?
    Er schaufelte Kaffeepulver in die Tassen.
    Etwas an dem Brief stimmte nicht, doch Thorne konnte nicht sagen, was es war. Er hatte etwas Gezwungenes. Vielleicht verlor der Mörder langsam die Kontrolle. Vielleicht machte ihm sein letzter Patzer zu schaffen. Oder vielleicht wollte er auf Unzurechnungsfähigkeit plädieren, wenn es so weit war.
    Und es war fast so weit.
    Er rührte den Kaffee um. Niemand, der einigermaßen richtig im Kopf war, würde das tun können, was dieser Mann getan hatte, doch Thorne würde mit allen Mitteln darum kämpfen, dass sein Sturz nicht abgefangen wurde.
    Er wollte, dass er hart fiel.
    Diejenigen, die ihn würden behandeln wollen, würden natürlich Druck ausüben. Es gab so viele, für die gewaltsamer Tod ein Hobby war oder eine Möglichkeit bot, eine Studie zu erstellen oder ein Stück vom Kuchen abzubekommen. Die Geisteskranken, die ihm in die Anstalt schreiben würden mit der Bitte um einen Rat, ein signiertes Bild oder gar Heirat. Die Politiker. Die Bücherschreiber – Bestseller, noch bevor die Leichen anfingen, sich zu zersetzen. Die Filmemacher. Die alten Frauen mit pastellfarbenem Haar, die mit ihren Fäusten gegen den Gefangenenwagen schlagen und spucken …
    Und die Polizisten, die sich an den Geruch von Blut erinnerten.
    War es das erste Mal für Sie?
    Thorne trug den Kaffee ins Wohnzimmer, blieb aber wie angewurzelt in der Tür stehen, als er Holland sah, der auf dem Sofa saß und die gegenüberliegende Wand anstarrte. Es war nicht der geistesabwesende Blick, den man bekam, wenn man betrunken, müde oder gelangweilt war.
    Thorne spürte, wie sein Herz schneller schlug.
    Er hatte überhaupt nicht gefragt, warum Holland hierher gekommen war.
    Holland wandte sich ihm zu. »Wir haben versucht, Sie irgendwie aufzutreiben …«
    Thorne erinnerte sich an sein Telefon, das er hinten auf die Rückbank seines Autos geworfen hatte. »Was ist passiert, Dave?«
    Holland versuchte, eine Antwort zu formen. Plötzlich erkannte Thorne den Blick wieder. Er hatte ihn fünfzehn Jahre zuvor auf dem Boden von Gläsern, in Schaufenstern und in Spiegeln gesehen. Der Blick eines jungen Mannes, der zu viel Tod gesehen hatte.
    Als Holland sprach, wirkten seine Stimme und seine Augen seltsam leblos. »Michael und Eileen Doyle … Helen Doyles Eltern. Ihre Nachbarin hat den Geruch bemerkt.«

 
    Offenbar hat der Schlaganfall nur einen sehr kleinen Teil meines Gehirns beeinträchtigt. In der »Brücke«, einem Abschnitt des Stammhirns.
    Klingt wie ein Witz, dieses Wort.
    Pech ist nur, dass es zufällig der Teil ist, mit dem Dinge gesteuert werden. Die gesamte Kommunikation geht hier durch. Wenn das Gehirn der Bahnhof ist, ist dieser Teil die Schaltzentrale. Eigentlich werden die Signale nach wie vor in Gang gesetzt. Wenn ich mit dem Zeh wackeln oder die Nase rümpfen oder die Anweisung aussprechen will, wird das Signal noch gesendet. Dafür sorgen die Synapsen: Sie senden das Signal weiter zur nächsten Zelle und so weiter. Das kann man sich vorstellen wie eine mikroskopische Version eines Stafettenlaufs bis zu meinem Zeh oder zur Nase. Leider spielen irgendwo auf der Strecke einige Synapsen nicht mehr richtig mit, und deswegen klappt die Übertragung nicht, mit den Worten eines Laien gesprochen. So ist das bei mir.
    Bizarrerweise scheint es so zu sein, dass andere Teile meines Gehirns sich ändern und den kaputten Teil kompensieren. Der Teil, der mit Klängen zu tun hat. Dieser Teil fühlt sich an, als sei er aufgerüstet worden. Ich kann zwischen Tönen unterscheiden, die ziemlich ähnlich sind. Ich kann eine Krankenschwester am Quietschen ihrer Schuhe erkennen und sagen, wie weit irgendwelche Sachen entfernt sind. Die Klänge verschaffen mir ein Bild in meinem Kopf, als würde ich zu einer Fledermaus werden.
    Und es hilft mir, mich zu erinnern.
    Diese Unterwasser-Klänge werden mit

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