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Tom Thorne 01 - Der Kuß des Sandmanns

Tom Thorne 01 - Der Kuß des Sandmanns

Titel: Tom Thorne 01 - Der Kuß des Sandmanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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mehr angetrunken.
    »Er schien über den Fall Bescheid zu wissen, und ich habe mich nur gefragt, ob …«
    Sie trat furchtlos einen Schritt auf ihn zu. »Er weiß eine Menge über den medizinischen Fall, ja. Wir reden regelmäßig über Alison, und es ist klar, dass er über die anderen Fälle Bescheid weiß, weil dies eine direkte Auswirkung auf Alisons Fall hat.«
    »Entschuldigen Sie, Anne, ich wollte nicht …«
    »Er ist ein Kollege, dessen Rat ich sehr schätze und auf dessen Diskretion Sie sich verlassen können. Ich würde sagen, ich lege meine Hand für ihn ins Feuer, aber offenbar ist Ihnen das egal.«
    Sie starrte ihn genauso an wie während der Vorlesung, was ihn daran erinnerte, wie bedrohlich ihr Blick sein konnte. Offenbar verfügte er nicht über die gleiche Fähig keit, sie einzuschüchtern. Irgendetwas an seinem Gesicht – er hatte keine Ahnung, was es war – schien sie zu amüsieren, und ihre Gesichtszüge wurden weicher.
    »Nun, wie lange ist es her? Ein paar Wochen? Und es ist schon unser zweiter großer Krach. Das bedeutet nichts Gutes, oder?«
    Thorne lächelte. Das war durchaus ermutigend. »Nun, das erste Mal würde ich eher als Anschiss bezeichnen, wenn man es genau nimmt.«
    »Holen Sie jetzt den Kaffee oder nicht?«
    Während er den Kaffee in die Becher füllte, rief sie ihm in die Küche hinterher: »Ich lege Musik auf. Klassik? Nein, lassen Sie mich raten, worauf Sie stehen …«
    Thorne goss Milch hinzu und dachte: Das schaffst du niemals. »Legen Sie einfach auf, was Ihnen gefällt«, rief er zurück. »Ich bin da ganz unproblematisch.« Als er mit dem Kaffee ins Wohnzimmer ging, hätte er beinahe aufgelacht, als sie sich umdrehte und eine abgenutzte Vinylscheibe von Electric Ladyland hin und her schwenkte.
     
    Als ihn das Taxi – diesmal ein richtiges, weil er nicht vorhatte, den gleichen Fehler zweimal zu begehen – in Richtung Kentish Town fuhr, rutschten die Gespräche dieses Abends in seinem Kopf hin und her wie Münzen in einem Umschlag. Er konnte sich an jedes einzelne Wort erinnern.
    Bishop hatte sich über ihn lustig gemacht.
    Das Taxi fuhr die Archway Road in Richtung Suicide Bridge hinunter. Als sie an Queens Wood vorbeikamen, blickte Thorne zur Seite. Er stellte sich die Füchsin vor, wie sie auf sanften Pfoten zwischen den Bäumen hindurch zu ihrem Revier schlich. Ein Kaninchen zappelte zwischen ihren Zähnen, Blut tropfte über die Blätter und abgebrochenen Zweige, während sie ihre Beute nach Hause trug. Die gierigen Jungen zerrten an ihrem Essen – sie rissen Stücke aus Helen Doyles leichenblassem Körper, während das Weibchen bewegungslos zuschaute.
    Thorne blickte starr in Richtung der Schaufenster. Bettengeschäfte, Buchläden, Feinkostläden, Massagesalons. Er schloss die Augen.
    Traurige, schmierige Männer und kalte, spröde Frauen, die einige Minuten miteinander verbrachten, die sie hinterher wieder zu vergessen versuchten. Kein schönes Bild, aber … immer noch besser … Im Moment jedenfalls.
    Thorne wusste, dass Helen und Alison und die anderen am nächsten Morgen wieder bei ihm sein und ihm ebenso wie der Kater im Nacken sitzen würden, doch im Moment wollte er nur über Anne nachdenken.
    Ihr Kuss an der Haustür hatte sich angefühlt wie der Beginn von etwas. Dies und das zuverlässige, angenehme Gefühl, hackedicht zu sein, bereiteten ihm ein Wohlbefinden, wie er es schon lange nicht mehr gehabt hatte.
    Er entschloss sich, seinen Vater anzurufen, egal, wie spät es war.
    Es war lächerlich. Schließlich war er vierzig Jahre alt. Doch er wollte ihm von der Frau erzählen, mit der er sich getroffen hatte – von dieser Frau mit ihrer Tochter im Teenageralter. Rachel war in dem Moment nach Hause gekommen, als er am Gehen war. Er hatte eilig hallo gesagt und war geflohen, bevor der unvermeidbare Streit darüber ausbrechen würde, warum sie so spät heimgekommen war.
    Er wollte seinem Vater erzählen, dass »vielleicht«, mit einem großen Schuss »wahrscheinlich« und einer winzigen Portion »Vergiss es, nie und nimmer«, einer von ihnen beiden nicht mehr so viel Zeit allein verbringen würde.
    Zu den sechs Pfund Taxigeld legte er zwei Pfund Trinkgeld und ging, grinsend wie ein Idiot, zur Haustür. Für Taxifahrer bestand doch immer die Gefahr, dass sie besoffene Fahrgäste mitnehmen mussten, oder? Ein anständiges Trinkgeld oder hinten ins Taxi kotzen. Risiko. Nun, dieser hier hatte noch mal Glück gehabt.
    Thorne summte »All Along The Watchtower«,

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