Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders
Paddington. Zwanzig Minuten ohne ein Wort und es reichte ihm.
»Ich habe Ihnen Karens Grab gezeigt. Glauben Sie mir, dafür nahm ich einiges auf mich …« Brigstockes Gesicht war sehenswert gewesen. Thorne konnte nicht anders, als sich auszumalen, wie die Verblüffung Jesmonds Totenmaskenausdruck zerstörte, als die Anfrage weitergeleitet wurde.
»Sie deuteten an, da wäre noch etwas, was Sie mir sagen wollten. Das habe ich denen da oben erzählt. Etwas über Nicklin.«
Palmer saß regungslos da, mit den Handschellen an Holland gefesselt.
»Das will ich hören, Martin. Für mich klang das wie eine Abmachung.«
»Quid pro quo, Doctor Lector«, flüsterte Holland.
»Genau«, sagte Thorne. Er hatte keine Ahnung, was das bedeutete, aber er hatte den Film gesehen. Er wandte sich um und warf Palmer einen auffordernden Blick zu. Na!
Fünf Minuten später, kurz nach der Victoria Station, riss Thorne das Steuer scharf nach links und gab Gas. Hinter ihnen blendete der Vectra auf.
»Sir«, rief Holland, »Vauxhall Bridge, Camberwell, Peckham, New Cross. Das war die vereinbarte Strecke …«
Thorne hob die Hand, ein entschuldigendes Zeichen Richtung Vectra. Mit leicht erhobener Stimme antwortete er Holland. »Lambeth Bridge, Elephant & Castle. Das ist die neue Route. Ich habe sie gerade geändert.«
»Elephant & Castle?«
»Ich lass Sie zu Hause aussteigen, Dave.«
Holland beugte sich mit besorgtem Gesichtsausdruck nach vorn. Palmer tat es ihm gleich, und das nicht nur wegen der Handschellen. »Ich weiß das zu schätzen, aber in Anbetracht der Unmenge an Scheiße, in die wir dadurch geraten, erscheint mir das als eine Ihrer weniger guten Ideen, Sir.«
»Wahrscheinlich, aber es muss ja niemand erfahren, oder?«
»Nein, aber ich finde dennoch …«
»Hören Sie, wir fahren ohnehin fast bei Ihnen zu Hause vorbei. Außerdem glaube ich, dass Martin ein wenig schüchtern ist.«
Holland sah zu Palmer, sah nach hinten zu dem Begleitwagen. Einer der beiden Detectives hob beide Hände. Scheiße, was soll das?
Sie fuhren weiter durch Victoria, über den Fluss und an den beiden riesigen Kanonen vor dem Imperial War Museum vorbei. Zehn Minuten später rollten sie langsam durch die Straße, in der Holland wohnte.
»Nehmen Sie die Handschellen ab, Dave. Es sei denn, Sophie hat Lust auf unangemeldeten Besuch. Das Zweite auf der linken Seite, nicht wahr …?«
Thorne beobachtete amüsiert, wie Holland die Tür zuknallte und nach hinten zu dem Vectra ging. Die zwei Polizisten hatten das Auto verlassen, bevor er bei ihnen angelangt war. Nach einigen Minuten Achselzucken und Kopfschütteln saßen sie wieder auf ihren Sitzen und warteten.
Holland kam zu Thornes Fenster und beugte sich zu ihm hinunter. »Sind Sie sich sicher, Sir?«
»Gehen Sie rein, Holland.« Mit einer Kopfbewegung deutete er nach hinten. »Schauen Sie sich ihn doch an. Ich glaube nicht, dass er mir große Schwierigkeiten macht. Wir werden nur ein wenig plaudern … hoffentlich.«
Holland trat zur Seite, als der Mondeo losfuhr und Richtung Old Kent Road davonbrauste.
Im Wagen gab Thorne den Taxifahrer. »Schauen Sie sich mal den Verkehr an. Noch nicht mal vier Uhr, und es ist zum Wahnsinnigwerden. Ich wette, um Deptford ist bereits alles dicht. Sie haben fünfzehn Minuten, schätze ich, zwanzig, wenn’s hochkommt.«
Thorne warf einen prüfenden Blick in den Rückspiegel. Palmer starrte auf seinen Hinterkopf. Sein Atem ging schwer. War das, was er zu sagen hatte, so schwierig auszuspucken?
»Eine Viertelstunde, bis wir zum Gefängnis kommen, Palmer. Das ist alles. Und jetzt lassen Sie’s endlich raus …«
Beinahe Zeit, nach Hause zu gehen.
Es leerte sich bereits, doch er blieb zurück. Da waren noch ein, zwei Dinge, die er zu erledigen hatte. Vor allem aber wollte er eine Weile alleine dasitzen und sich daran ergötzen, wie raffiniert er war.
Das, was er trieb, erschien ihm nicht per se als raffiniert. Diesen Begriff gebrauchte er in seinen Gedanken nicht für das, was er mit seinen Messern und seinen Händen und seinen Freunden anstellte. Das musste er einfach tun, er konnte nicht anders. Am ehesten noch passte für sein Gefühl der Begriff instinktiv. Sicher, allem lief eine Planung voraus, besonders wenn er Palmer ins Feld schickte, aber das war nicht allzu aufwändig. Meistens war es unkompliziert. Durchzukommen war nicht das Problem. Es interessant zu machen war schwierig.
Doch das hier war zweifelsohne raffiniert. Er überlegte, ob es wohl
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