Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders
hatte gesehen, wie die Leute ihre Abfalleimer hier ausleerten, den grasbewachsenen grünen Bahndamm als Müllhalde benutzten. Drauf schissen, genauso wie Karen oder Nicklin.
Dennoch liebte er diesen Ort. Er wusste, wo sich ein Fuchsbau im Wurzelwerk einer riesigen Eiche verbarg. Am Fuß dieses Baumes hatte er einmal einen kleinen Eichelhäher gefunden, mit blauem, aufgeplustertem Gefieder, der miaute wie eine Katze, nach seiner Mutter schrie. Er wusste, wo es große Brombeeren gab und welche Arten von Schmetterlingen von den Schmetterlingssträuchern angezogen wurden, die überall auf dem Gelände wuchsen. Und er wusste, wo er Blindschleichen und Ringelnattern finden konnte, die unter vor sich hin rostenden Eisenteilen nisteten …
Er schreckte auf, als jemand auf die auf dem Betonboden liegenden Glasscherben trat. Als er herumfuhr, sah er Nicklin hinter sich stehen. Er lächelte, als habe er endlich etwas gefunden.
»Karen will es mit dir machen.« Nüchtern, sachlich. Palmer schwieg. Nicklin zog an seiner Zigarette, wartete, zuckte mit den Achseln. »Dann sag ich ihr, dass du nicht dafür zu haben bist, ja?«
»Sie will alles machen?« Palmers Stimme war so hoch wie auf Helium, sein Atem ging stoßweise.
»Das hat sie gesagt. Sie hat es schon mit einer Menge Typen gemacht, alle Variationen, ist keine große Sache. Wahrscheinlich bläst sie dir auch einen …« Er strich sich mit der Hand über den Kopf. Sein normalerweise dichtes schwarzes Haar hatte er sich für den Sommer zu einem Stiftelkopf schneiden lassen.
»Was erwartet sie von mir?«
»Fick sie einfach, Kumpel.« Ein kurzes Schnauben, gefolgt von einem Lachen. Auch Nicklins Stimme war hoch, seine Bewegungen ruckartig. Angespannt …
Die Hand bereits am Reißverschluss seiner Hose, wandte sich Palmer um, um ihn anzusehen. »Nein … ich will schon. Es ist nur, ich möchte nur wissen, ob ich rausgehen soll oder ob sie …? Komm schon, Stu … was jetzt?« Er versuchte, sich zu einem Lächeln zu zwingen. Zwei Kumpel, die miteinander redeten. Ohne Angst zu haben.
»Hol ihn einfach raus. Wahrscheinlich hat sie ihr Höschen schon unten. Ich geh mal und hol sie.« Nicklin schnippte die Zigarette in die Ecke und schlenderte hinaus.
Ein paar Sekunden später konnte Palmer ihn draußen an der Ecke mit Karen flüstern hören. Er lauschte angestrengt, um zu hören, wie sie sich auszog, die Geräusche zu vernehmen, die in seiner Vorstellung dem Sex vorausgingen – ein kehliges Stöhnen, ein Schnappen nach Luft. Das einzige Luftschnappen, das er hörte, war sein eigenes: schnell, hektisch, nicht im Geringsten sexy, als er seinen Gürtel aufschnallte und an den Reißverschluss fasste. Er drehte sich weg vom Eingang und richtete die Augen auf die Wand, um sich zu beruhigen. Versuchte nicht daran zu denken, was sie mit ihm machen würde. Jemand hatte einen Schwanz auf den staubigen, grauen Beton gemalt. Er sah auf sein eigenes, weit weniger beeindruckendes Glied hinunter und begann an den roten Stellen auf seinem Bauch zu reiben, wo ihn der Hosenbund gedrückt hatte.
Er hörte ein Geräusch hinten am Eingang. Beinahe hätte der Klang ihrer Stimme gereicht, um alles zu beenden, bevor es begonnen hatte.
»Bist du fertig, Martin?«
Seine Hand war auf seinen Schwanz geglitten, ohne dass er sich dessen bewusst war. Er stöhnte leise und streichelte sich, während er sich lächelnd zu ihr umdrehte …
Karen und Nicklin standen im Eingang, hielten einander umfasst und starrten ihn mit offenem Mund an, auf den geeigneten Moment wartend, um loszuprusten. Karen platzte als Erste, doch das Lachen erstarb, kaum dass es ihr über die Lippen gekommen war, und sie wich rasch seinem Blick aus. Nicklin brüllte vor Begeisterung, schlug sich auf die Oberschenkel, so wie Palmer es aus Filmen kannte. Nicklin sah den Ausdruck auf dem Gesicht seines Opfers und machte in den Lachpausen seiner Verachtung Luft. »Scheiße, Palmer, das war ein Witz. Ich hab dich verarscht …«
Karen warf ihm einen Blick zu. »Lieber Gott …«
Mit einem angewiderten Stöhnen deutete Nicklin auf Palmers Schwanz, und instinktiv schloss Palmer die Faust um seinen weichen, eingeschrumpelten Penis.
Karen lehnte sich gegen den Türrahmen. »Gott, Martin …«
»Jetzt hast du sie ganz durcheinander gebracht«, sagte Nicklin. Karen begann leise zu schluchzen, und der belustigte Ton schwand sofort aus Nicklins Stimme. »Du hast sie wirklich durcheinander gebracht, du blöder Sack. Weil du einfach nicht
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