Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders
wird die Presse über diese neueste Entwicklung unterrichten.«
Hollands Antwort kam ohne diese Nebelschwaden aus. »Das ist bescheuert. Es ist doch klar, dass wir das von der Presse fern halten sollten. Dass wir wissen, dass wir es mit zweien zu tun haben, ist der einzige Vorteil, den wir haben …«
Ein kleiner Teil von Thorne war erleichtert, dass Holland noch zu dieser Naivität fähig war. »Womit Sie wieder mal wie ein Polizist denken, Holland. Detective Superintendent Jesmond dagegen« – an dieser Stelle musste Brigstocke unwillkürlich lächeln – »hat an seinen Job zu denken, und er hat klugerweise erkannt, dass für die britische Öffentlichkeit zwei einzelne Mörder um einen Bruchteil gefährlicher klingen als ein Paar davon …«
Noch während er sprach, spürte Thorne eine alte, instinktive Angst in sich aufsteigen. Er war sich sicher, dass die beiden Männer, hinter denen sie her waren, um einiges gefährlicher waren als der stinknormale 08/15-Mörder.
Nach dem Ende der Besprechung verließen Thorne, Brigstocke, McEvoy und Holland schweigend den Raum. Jeder von ihnen war damit beschäftigt, auf seine Weise zu verarbeiten, wie wichtig, wie dringend die vor ihnen liegende Aufgabe war. So viele unbeantwortete oder unbeantwortbare Fragen es auch geben mochte, eines war erschreckend klar: Sie mussten diese beiden Männer schnell verhaften, bevor Phil Hendricks noch mehr Leichen auf den Tisch bekam.
Denn er würde immer zwei auf einmal bekommen.
Jane Lovell, eine neununddreißigjährige geschiedene Frau, war an einem warmen Juliabend auf einem Stück Ödland in Wood Green, N22, im Londoner Stadtteil Haringey verblutet. Das war der Grund, warum sich Tom Thorne fünf Monate später, an einem bitterkalten Montagnachmittag, nachdem er ein Wochenende des Datenabgleichens, des Organisierens, des Auf-alles-geschissen hinter sich hatte, im Hauptquartier der Serious Crime Group (East) befand. Die hier tätigen Teams bearbeiteten die Morde in zehn Vororten, darunter Haringey.
Thorne fror in einem verqualmten Zimmer in Edmonton, an einem Tisch mit einem der arrogantesten kleinen Klugscheißer, mit denen er in letzter Zeit das Pech gehabt hatte, sich herumschlagen zu müssen.
»Wollen Sie damit sagen, wir hätten eine Verbindung sehen müssen? Gott weiß, wieso das. Mich tritt ein Pferd, wenn da eine Verbindung ist zwischen Ihren beiden … wie heißen sie gleich wieder?«
»Carol Garner und Ruth Murray, Sir.«
Detective Chief Inspector Lickwood nickte und spuckte den Rauch von seiner letzten Zigarette aus. »Richtig. Nun, mir erscheint das alles etwas an den Haaren herbeigezogen, aber das ist Ihre Angelegenheit.« Er trug einen teuer geschnittenen blauen Anzug und lehnte sich auf seinem schmuddeligen Plastikstuhl zurück, als handle es sich um einen gut gepolsterten Ledersessel. Die schwarzen Haare hatte er aus dem beinahe – aber nur beinahe – hübschen Gesicht gestrichen. Sowohl Kinn als auch Nase waren etwas groß geraten, ebenso sein Adamsapfel, der wild auf und ab hüpfte, während er sprach. Seinen Kommentar richtete er merkwürdigerweise an einen Punkt über Thornes Kopf.
»Doch wenn es anfängt, meine Angelegenheit zu werden, werde ich etwas nervös«, fuhr Lickwood fort. »Ich bin nicht begeistert von Typen, die eigentlich Kollegen sein sollten und die hier hereinspazieren und andeuten, meine Leute und ich hätten ihre Arbeit in der einen oder anderen Hinsicht besser machen können. Das mag ich ganz und gar nicht.«
Thorne war selbst nach einem flüchtigen Blick auf die Akte über Jane Lovell klar gewesen, dass man diese Arbeit nur schwerlich schlechter hätte erledigen können. Alles, was getan werden musste, war getan worden. Doch darüber hinaus war nichts geschehen. Hier hatte man die Regeln befolgt und nicht auf die innere Stimme gehört. Zwei Tage, nachdem man Jane Lovell niedergestochen hatte und sie verblutet war, war der Fall so kalt wie ihre Leiche.
Thorne entging nicht, dass Lickwoods Reaktion nichts als Show war. Die typische, hyperempfindliche und aggressive Reaktion eines Polizeibeamten, der Angst davor hatte, bloßgestellt zu werden. Thorne war sich klar darüber, dass er sich nichts mehr wünschte, als Lickwood auf sein selbstgefälliges Maul zu dreschen, und dass er das sehr ordentlich erledigt hätte. Er war sich jedoch auch klar darüber, dass er, falls er etwas erreichen wollte, auf Diplomatie setzen musste.
Nennen wir es Diplomatie. Eigentlich war es nur Scheiße
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