Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders
verschrecken. So oder so wandert Palmer, wenn die Sache vorbei ist, hinter Gitter.« Thorne suchte Unterstützung bei Brigstocke, die er nicht bekam. Er wusste, dass er sich auf den Detective Chief Inspector nicht verlassen konnte. Brigstocke hatte noch immer nicht Thornes Alleingang vor zwei Tagen überwunden. Palmer zu verhören, ohne auf ihn zu warten. Die Standpauke, die er ihm gehalten hatte, war noch immer Tagesgespräch unter jenen, die sich im Umkreis einer halben Meile um sein Büro befunden hatten.
Zurück zu Jesmond. »Beim Organisierten Verbrechen machen sie das ständig, Sir«, sagte Thorne. »Wenn sie einen Insider als Zeugen brauchen. Ich verstehe nicht, warum wir nicht genauso vorgehen können. Wir setzen Palmer auf freien Fuß und behalten uns weitere Ermittlungen vor. Das ist eine durchaus übliche Vorgehensweise Recht viel mehr fehlte nicht, und Jesmond würde der Kragen platzen. »Dieses Verfahren ist mir absolut vertraut, Thorne, aber Palmer ist kein verdammter Kredithai. Er hat zwei Frauen umgebracht, und wir lassen normalerweise keine Mörder auf Kaution frei.«
Thorne konnte wenig darauf erwidern, und Jesmond beruhigte sich schnell wieder. Der Vorteil lag auf seiner Seite. Er zog ein Taschentuch heraus und schob eine Ecke in ein Nasenloch, fuhrwerkte damit herum, wobei er vor Anstrengung Grimassen schnitt. »Also angenommen, Palmer spaziert draußen herum, und wir beobachten ihn. Was dann? Nicklin unterläuft ein dummer Fehler? Bislang hat er noch nicht viele Fehler gemacht, oder? Also warten wir, bis er den nächsten Mord begeht?« Thorne erwiderte nichts darauf. Er war sich bewusst, dass es genau darauf hinauslaufen könnte. »Ich bin mir nicht sicher, ob Sie das durchdacht haben, Inspector.«
»Bei allem Respekt, Sir …« Die Stimme war deutlich lauter. Recht wenig Respekt allenthalben.
Brigstocke beugte sich über den Tisch. »Hören Sie zu, Tom …«
Thorne kniff die Augen zusammen und riss den Mund viel zu schnell auf. »Der Zaun, auf dem Sie sitzen, scheint Ihrem Arsch gewaltig zu schaffen zu machen, Russell.«
Jesmond hob die Hand, doch Thorne ließ sich nicht abbringen. Er sah sie alle an, während er sprach. Schließlich hatte er nur diese eine Chance, dessen war er sich bewusst. »Ja, Palmer ist ein Mörder, ein Monster, und wenn das alles vorbei ist, wird er, wie immer wir uns entscheiden, für den Rest seines Lebens verschwinden. Er will verschwinden, er versucht nicht, etwas für sich herauszuholen, einen Deal mit uns zu machen.« Er zögerte, holte Luft und fügte hinzu: »Ich bin jedoch fest davon überzeugt, dass er, wenn diese Ermittlungen in der von mir vorgeschlagenen Richtung verlaufen, für niemanden eine Gefahr darstellen wird …«
Jesmond wollte etwas einwerfen, was Thorne unterband. »Meiner Meinung nach ist dies unsere einzige Chance, Nicklin zu bekommen, und wenn wir sie nicht nutzen, werden wir das später bereuen. So wie die Dinge jetzt stehen, mit einem Mörder in Gewahrsam, bekommen wir alle ein Schulterklopfen oder eine Beförderung, was auch immer. Aber in nicht allzu ferner Zukunft wird Blut fließen.«
Er hielt den Blick auf Jesmond gerichtet. Was zum Teufel kümmert dich das! Bis dahin bist du wahrscheinlich längst weg. Er sah in Jesmonds kleinen Rattenaugen, dass es beschlossene Sache war. Sollte es sich als notwendig erweisen, würde der Griff, mit dem er sich kaum auf der Karriereleiter festzuhalten vermochte, durch ein paar gezielte Stiefeltritte gelöst werden. Und er sah noch etwas anderes, dass nämlich dieses Problem ohnehin nur theoretischer Natur war. Nicht in einer Million Jahren würden sie sich darauf einlassen …
Thorne erhob sich. »Ich denke, ich hab meinen Teil gesagt, Sir.«
Jesmond sah zu seinen Kollegen hinüber und ordnete seine Unterlagen wie ein Nachrichtensprecher, der gerade nichts Besseres zu tun hat. »Danke, Inspector. Es liegt auf der Hand, dass diese Angelegenheit noch weiterer Diskussion bedarf. Ich habe ein Konferenzgespräch mit dem Deputy Assistant Commissioner angemeldet, und er will die Sache vielleicht noch weiter oben vortragen. Also …«
Also … Thorne saß im Büro nebenan und kämpfte gegen den kindischen Wunsch an, ein Glas an die Wand zu schmettern. Er verfluchte den winzigen Strang seiner DNS, der ihn … so handeln ließ. Ihn unfähig machte, sich mit etwas zufrieden zu geben.
Kriegsgeschichten waren nie sein Ding gewesen. Er konnte mit ein paar Schwänken einen Pub unterhalten, doch wenn
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