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Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders

Titel: Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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sich dann die Geschichten darum zu drehen begannen, wer wen dingfest gemacht hatte, lächelte er, klopfte seinen Kumpels auf die Schulter und zog sich zurück, um in Ruhe über seine Niederlagen nachzugrübeln. Er hielt sich nicht lange mit Erfolgen auf, aber eine Niederlage, das war immer drin. Damit ließ sich viel Zeit verbringen.
    Er war schließlich Engländer.
    Nicht die, die er erwischt hatte, blieben Thorne im Gedächtnis haften. Nicht an sie konnte er sich immer erinnern. Nicht an die, die er am Schluss im Vernehmungszimmer oder durch das Guckloch in einer Zelle oder im Gerichtssaal sah. Nein, nicht die.
    Nicht die Palmers.
    Thorne hatte im Verlauf der Jahre die Gesichter von einem Dutzend verurteilter Mörder vergessen, doch ihm standen noch immer deutlich die Mörder vor Augen, von denen er nie ein Gesicht gesehen hatte. Er würde alles tun, was nötig war, um den vormaligen Stuart Anthony Nicklin daran zu hindern, einen Platz in dieser Galerie einzunehmen.
    Dickköpfig, stur und vernagelt, diese Worte fielen schnell. Er bekannte sich in allen drei Fällen schuldig. Ja, ja und noch mal ja. Aber diese Worte trafen es nicht genau.
    Es wäre so einfach gewesen, den Applaus entgegenzunehmen und sich mit dem zufrieden zu geben, was ihm auf einem Tablett gereicht wurde. So einfach, sich ein Foto von Martin Palmer auf der Titelseite anzusehen und einen oder zwei Abende den Pub zu unterhalten. So einfach, sich mit den Verwandten der Opfer ablichten zu lassen, ihnen die Hand zu schütteln und in dankbare Gesichter zu blicken, um sich dann umzudrehen und wieder an die Arbeit zu gehen, sich auf die nächste Jagd zu begeben.
    So einfach, selbstzufrieden und unbeeindruckt weiterzumachen.
    So schwer, sich einen kleinen Jungen mit einem quietschenden Hammer aus dem Kopf zu schlagen.
    Kannst du sein Gesicht vergessen, Charlie! Ich wünsch es dir …
    Jetzt kamen Holland und McEvoy durch die Einsatzzentrale und durch die offen stehende Tür in sein Büro. Er beobachtete, wie sie auf ihn zumarschierten ; es schien eine Ewigkeit zu dauern. Er wunderte sich über ihren verkniffenen, düsteren Gesichtsausdruck, das Blatt Papier in Hollands Hand, McEvoys geballte Faust. Dann standen sie in seinem Büro, und das Blatt Papier lag auf seinem Schreibtisch, und er versuchte sich auf das zu konzentrieren, was auf diesem Blatt stand und was McEvoy ihm erzählte.
    »Die Leiche von Miriam Vincent wurde heute Morgen in ihrer Wohnung in der Laurel Street in Dalston gefunden. Der Tod trat vor ein paar Tagen ein. Ihr wurde in den Kopf geschossen.« McEvoy hatte professionell, ruhig und informativ geklungen. Jetzt schoss ihr das Blut ins Gesicht, und sie ließ ihre Wut heraus. »Sie studierte an der North London University. Sie war neunzehn, Herrgott noch mal … ein Teenager …«
    Holland warf ihr einen erschrockenen Blick zu. Dieser plötzliche Gefühlsausbruch verblüffte ihn. Thorne benutzte ihn, benutzte ihre Wut, um einen klaren Kopf zu bekommen. Während er kurz zuvor noch benebelt und wirr gewesen war, war er nun auf einen Schlag klar und konzentriert. Er wusste genau, was er zu tun hatte.
    »Ich habe das nicht gesehen.«
    McEvoy schüttelte den Kopf. »Wie bitte …?«
    »Ihr habt mich nicht finden können. Klar?« Er reichte Holland das Blatt und deutete auf das Büro nebenan. »Geht da rein und erzählt es ihnen.«
    Holland zögerte eine Sekunde, und McEvoy schnappte sich das Blatt. »Ich mach das …«
    Thorne hob die Hand. »Nein, Sie nicht. Sie sind zu … geladen. Die mussten sich bereits mit mir rumschlagen.«
    Murrend gab McEvoy das Blatt zurück und machte kehrt. Thorne reichte es Holland und drückte seinen Arm. »Ruhigbleiben …«
    Holland nickte und machte sich rasch auf den Weg. Ohne einen Blick zurück ging er zur Tür, die zu dem Büro nebenan führte, klopfte und trat ein, ohne auf eine Antwort zu warten.
    McEvoy ging zurück in die Einsatzzentrale. Thorne beobachtete sie, während er wartete. Wie sie sich unter ihren Kollegen bewegte, wutentbrannt über die Ermordung von Miriam Vincent, wie ihr das Wissen darüber ins Gesicht geschrieben stand. Ihm gefiel ihre Wut. Er verstand sie. In letzter Zeit machte er sich allerdings ein wenig Sorgen, weil sie ihm immer weniger in der Lage schien, diese Wut im Zaum zu halten.
    McEvoy und Holland waren die einzigen Menschen, die, abgesehen von den dreien nebenan, seinen Plan kannten. Die übrigen Mitarbeiter an dem Fall waren noch immer hin und weg wegen Palmers Festnahme.

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