Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders
weil er es zu Hause nicht aushält. Seine Mum und sein Dad haben keine Ahnung, dass er schwul ist, und er weiß nicht, wo er sonst hin soll …«
»Keiner von uns hat die Qual der Wahl.«
»Jetzt hör endlich damit auf, ja? Du bleibst. Entweder du kommst Weihnachten oder ein alter Penner, der vor der Suppenküche herumlungert.«
Thorne grinste. »Der Geruch macht dir gar nichts aus?«
Hendricks grinste ebenfalls und erklärte: »Ich bin sicher, du kannst deinen Dreck selbst abwaschen.«
Sie lachten noch immer, als Brendan mit den Gläsern kam. Doch kaum hatte er diese auf dem Tisch abgestellt, sprang Thorne auf und schlüpfte in seine Jacke.
»Hört mal, ich stör euch nicht länger …«
Brendan hob Thornes frisches Bier hoch. Er wirkte leicht verärgert und wollte gerade etwas sagen, als Hendricks ihm die Hand auf den Arm legte, um ihn zurückzuhalten. In dem Fall brachte ein Streit nichts, so viel stand fest.
»Also bis später, ja?«
Thorne sagte nichts darauf. Er schlängelte sich am Tisch vorbei, legte Brendan eine Hand auf die Schulter. »Tut mir Leid wegen des Biers …«
»Morgen dann zum Mittagessen?«, fragte Hendricks.
Thorne nickte, wobei ihm sofort klar war, dass sein Freund ihm keinen Augenblick glaubte, er meine das aufrichtig. Er nahm die Hand von Brendans Schulter und streckte sie Hendricks entgegen. »Fröhliches Fest, Phil.«
Hendricks stand auf, ergriff die Hand und zog Thorne etwas linkisch an seine Brust.
»Du auch, und jetzt verpiss dich …«
Was Thorne auch tat.
Zwölftes Kapitel
Ein Detective Constable öffnete die Tür, und Thorne hielt seinen Polizeiausweis hoch. Falls der Polizist, der rothaarig und pummelig war und nur knapp über der Mindestgröße lag, das Bier in Thornes Atem riechen konnte, ließ er es sich nicht anmerken. In seinem Gesicht sah Thorne dieselbe Feindseligkeit wie in den Gesichtern der beiden Muppets, die draußen in dem Auto saßen.
Die Eltern kommen … das Cottage … das erste Weihnachten mit dem Kleinen …
»Ich brauch nicht lange.« Thorne blickte über die Schulter auf den Stuhl im Gang. Der Polizist trat aus der Tür und nahm mürrisch und leise vor sich hin schimpfend darauf Platz. Thorne schloss die Tür hinter sich. Wahrscheinlich hatte er das Bier gerochen. Egal.
Thornes Blick fiel auf eine Ausgabe der Sun auf dem Tisch neben der Tür. Er öffnete die Tür und reichte sie dem Constable, der sie unwirsch entgegennahm. Leck mich, dachte Thorne und zog die Tür wieder zu.
Er wandte sich um und ging ins Wohnzimmer. Palmer trat aus der Küche, eine Tasse Tee in der Hand. Offensichtlich hatte er das Klopfen an der Tür nicht gehört, denn er zuckte leicht zusammen, als er Thorne sah.
Sie musterten einander ein paar Sekunden. Dann ergriff Palmer das Wort. Er hatte eine tiefe, etwas nasale Stimme. »Ist etwas …?« Thorne schüttelte den Kopf.
Palmer hob seine Tasse hoch, seine Brillengläser beschlugen kurz. »Wollen Sie auch eine?«
Thorne antwortete nicht darauf, sondern ging zu dem Computer, der auf einem kleinen Tisch am Fenster stand. Er hing vierundzwanzig Stunden am Tag an einem Server. Sobald Nicklin Kontakt aufnahm, wüssten sie Bescheid.
Thorne starrte den Bildschirmschoner an – eine Reihe bunter Uhren, die auf dem Monitor herumschwammen und tickten. Er beugte sich vor und bewegte die Maus, sodass die Uhren verschwanden. Dann zog er den Stuhl vom Tisch weg, drehte ihn herum und nahm darauf Platz.
Seine Jacke hatte er nicht ausgezogen.
»Was machen Sie? Im Internet surfen? Chatten? Scrabble drauf spielen?«
Palmer saß steif auf der Couch. Seine Tasse hielt er mit beiden Händen vor der Brust. »Ja. Im Internet. Manchmal.«
»Und …?«
»Na ja, unter ständiger Polizeiaufsicht werd ich wohl nicht die dunklen Stunden damit verbringen, mich auf Pornoseiten zu tummeln.«
»Aber wenn Sie alleine wären?«, setzte Thorne schnell nach.
Palmer starrte in seinen Tee. »Ich verstehe. Wofür interessiert sich so ein degenerierter Saukerl? Höchstwahrscheinlich würde ich mir etwas Perverses suchen. Etwas richtig Krankes, verstehen Sie.« Er blickte auf und sah zu Thorne. Er hatte den Kopf ein Stück zurückgeneigt und rümpfte leicht die Nase, damit die Brille nicht rutschte. »Vielleicht Leichen. Autopsiefotos, die gibt’s da draußen, man muss nur wissen, wo man suchen muss.« Er begann schneller zu reden, seine Stimme wurde lauter, sein Atem rauer, pfeifender. Seine beste Darstellung von Erregung. »Möglicherweise ein Video
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