Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders
oder zwei, mit Ton, falls es überhaupt möglich ist, die Geräusche einzufangen … das Kreischen der Kreissäge. Sie wissen schon, prickelnde Gefahr und medizinische Details, was das jämmerliche perverse Schwein halt so schätzt …«
»Lassen Sie das.«
Was Palmer tat. Thorne ärgerte sich über sich. Darauf hätte er sich nicht einlassen dürfen. Es war im besten Falle schlüpfrig. Im schlimmsten roch es nach der billigen Küchenpsychologie, die man massenhaft auf den Zetteln aus den Tischfeuerwerkskörpern zu lesen bekam, die morgen wieder überall herumliegen würden. Er sah hinüber zu Palmer, der sich an seinem Tee festhielt und vor sich hinstarrte. Thorne konnte sich keinen Reim auf seinen Gesichtsausdruck machen. War er traurig? Nein, enttäuscht.
Der Bildschirmschoner war wieder in Aktion, und das Schweigen wurde untermalt vom elektronischen Ticken der Uhren.
»Vielleicht gehe ich morgen raus«, sagte Palmer unvermittelt. Er wandte sich zu Thorne um, beugte den Oberkörper vor. Sein Gesicht wirkte lebhaft und interessiert. »Nur auf einen Spaziergang, um etwas frische Luft zu schnappen. Hier drinnen werd ich noch verrückt Thorne schnaubte. Palmer nickte nachdenklich, auch wenn es auf etwas merkwürdige Weise komisch war. »Ich weiß schon, ich sollte mich besser dran gewöhnen. Wird nicht so gut bestellt sein um mein leibliches Wohl, wenn das hier vorbei ist. Eigentlich …«
Er stand rasch auf. Reflexartig. Thorne tat es ihm gleich. Palmer warf ihm einen nervösen Blick zu. »Ich hab noch ein paar Dosen Bier in der Küche.« Er trat einen Schritt vor und blieb stehen. »Trinken Sie eine. Sie können eine haben.«
Thorne nickte, ohne nachzudenken, und Palmer war unterwegs in die Küche. »Es ist ein Bitter, denke ich. Geht das in Ordnung?« Thorne sagte nichts und setzte sich wieder.
Er sah sich im Zimmer um. Wie üblich nichts Auffälliges. Der Schnitt war einfach, die Möbel modern und funktionell. Als Thorne das erste Mal hier gewesen war, hatte ihn die Wohnung an etwas erinnert, und nach ein paar Minuten hatte er innerlich gefröstelt, als ihm auffiel, wie sehr die Wohnung seiner eigenen glich. Vielleicht etwas mehr Bücher und Pflanzen, keine Familienfotos oder Andenken. Wenig Anzeichen für ein enthusiastisch geführtes Leben. Nichts Anheimelndes …
Durch die offen stehende Küchentür konnte Thorne Palmer in der Küche herumfuhrwerken sehen, wie er die Gläser aus dem Schrank holte und sie auswischte. Er war groß und kräftig, ein schwerfälliger, bedrohlich wirkender Kerl, der dennoch seltsam anmutig wirkte. In Anbetracht seiner Größe und seines Gewichts hatte er sehr kleine Hände und Füße, und man fürchtete zwischendurch, er würde nach vorne auf sein blasses, fleischiges Gesicht stürzen.
Das alles war Thorne am Anfang aufgefallen, als sie Stunden damit verbracht hatten, über alles zu sprechen. Herauszufinden, was geschehen war. Dann hatten sie Tage damit verbracht, einen Plan zu schmieden, der funktionieren könnte; Palmer zum letzten Mal einen Geschmack von Freiheit zu geben, damit Nicklin … vielleicht seine Karten auf den Tisch legte. Diese unzähligen Stunden in überheizten Vernehmungszimmern, und doch hatten sie nie miteinander geredet, nicht wirklich.
Das alles ging Thorne jetzt durch den Kopf, als er in Palmers Wohnzimmer saß. Nicht dass er es bedauert hätte – er hatte kein Verlangen, diesen Mann kennen zu lernen. Es war nur interessant, nicht mehr, angesichts ihrer Situation.
Und doch wurde er das Gefühl nicht los, Palmer verberge etwas. Behalte etwas für sich …
Palmer kehrte mit zwei Gläsern Bier und einem seltsam stolzen Gesichtsausdruck zurück, als kredenze er die Köpfe zweier besiegter Feinde. Thorne nahm das angebotene Glas und stellte es neben seinem Stuhl auf den Boden. Palmer blieb stehen und schaute aus dem Fenster. Er nickte lächelnd. »Eigentlich hab ich Glück. Überall diese Polizisten, besonders der draußen vor der Tür … wenigstens hat mich dieses Jahr niemand mit Weihnachtsliedern genervt.«
Thorne blickte zu ihm auf. Palmer trug eine ausgebeulte graue Trainingshose, blaue Hausschuhe und einen orangefarbenen Kapuzenpulli. Die Klamotten wirkten billig; er hatte kein bisschen Naturfaser auf der Haut. Und nicht zum ersten Mal fragte sich Thorne, wofür Palmer sein Geld ausgab. Er hatte einen guten Job, fuhr jedoch kein besonderes Auto, und auch sonst war nirgends ein Anzeichen von Luxus oder Extravaganz zu entdecken.
»Wo steckt das
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