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Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders

Titel: Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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Schwierigkeiten gebracht.
    Bowles ging zur Tür, um sie zu verabschieden. »Vermutlich werde ich jetzt häufig an Stuart Nicklin denken.« Die wässrigen Augen studierten Thornes Gesicht. »Der Junge hat die Luftpistole inzwischen hinter sich gelassen, stimmt’s?«
    Thorne dachte an Rosemary Vincent: die Erinnerung an einen Streit am Telefon, wie sie auf der Pressekonferenz das Foto hin und her drehte. Das Loch im Schädel ihrer geliebten Tochter.
    Ein Schatten glitt über Thornes Gesicht, als er die Frage des Lehrers beantwortete.
    »Ja, die hat er hinter sich gelassen.«
     
    Er dachte über etwas nach, das sich vor langer Zeit zugetragen hatte.
    Vor vielen Jahren, als er noch Stuart Nicklin war und sich damit durchbrachte, alten Kerlen einen runterzuholen, hatte er gelernt, was es heißt, auf eine Situation angemessen zu reagieren. Ein anderer Stricher, ein boshafter kleiner Wichser, der älter war und nicht so gut aussah, hatte ihm ein paar Kunden geklaut. Nicht seine Stammkunden, die waren loyal, aber einige von der Laufkundschaft. Dieser Scheißkerl unterbot ständig den Preis und hatte auch nichts dagegen, das Kondom wegzulassen, wenn er dafür einen Schein mehr bekam – der Typ wilderte, um Geld zur Seite zu bringen, bevor es mit seinem Aussehen endgültig den Bach runterging. Verständlich, aber sehr ärgerlich.
    Er war wütend. Er wollte es diesem lumpigen Ganoven heimzahlen, diesem kleinen Scheißer. Dabei war ihm klar, dass es vernünftig – angemessen – gewesen wäre, ihn zu ignorieren. Sich nicht weiter um ihn zu scheren und sein eigenes Ding durchzuziehen. Es gab genug Kunden für alle, und es war unnötig, Ärger mit der Polizei zu riskieren. Unnötig, alles aufs Spiel zu setzen. Das wäre bescheuert.
    Er dachte auch über etwas nach, das sich im Augenblick zutrug.
    Sie hatten Angst davor, er könnte verschwinden. Könnte in Panik geraten, weil sein Partner aufgeflogen war, sein Zeug packen und sich auf- und davonmachen. Wenn sie davor Angst hatten, dann war es genau das, was er tun sollte. So viel war ihm klar. Es war die angemessene Reaktion. Sie wollten nicht, dass er abtauchte und dann wieder auf der Bildfläche erschien, wenn die Zeit reif war für einen Neuanfang. Also war es genau das, was er tun sollte. Es war einfach und vernünftig. Es diente der Selbsterhaltung.
    Es würde schwer sein, keine Frage. Er mochte, was er tat. Er war sehr gut darin, und auch das mochte er. Es war ein unvergleichlicher Rausch, und selbst ohne den zusätzlichen Kick des Partners, selbst ohne Palmer als echten Gegenpart, würde der Verzicht unweigerlich zu einem Abstumpfen seiner Sinne führen. Damit aufzuhören hieße, dem besten Teil seiner selbst die Sauerstoffversorgung abzuschneiden. Das aufzugeben hieße, für eine Weile in Schlaf zu versinken. Es wäre nicht für immer, vielleicht nicht einmal für lange Zeit, aber es wäre verdammt hart. Dennoch war es vernünftig. Es war die angemessene Reaktion, also würde er es versuchen müssen.
    Er würde versuchen damit aufzuhören.
    Vor Jahren, als er noch Stuart Nicklin war und beschlossen hatte, keine Dummheit zu begehen, hatte er mit ein paar Anrufen den miesen Stricher in eine leere Wohnung an der Glasshouse Street gelockt, die er manchmal benutzte. Es war Februar gewesen und eiskalt. Von dem kleinen Fenster aus konnte er die Menschen in Schals und dicken Mänteln über den Piccadilly Circus laufen sehen. Er konnte gerade noch die Eiszapfen erkennen, die vom Bogen des Eros hingen, und den Frost auf den Stufen zu dem Denkmal, der im bunten Licht der Neonreklame darüber glitzerte.
    Als der Junge kam, schlug Nicklin ihn mit einem Ziegelstein bewusstlos, steckte ihm einen Trichter in den Mund und goss ihm vier Liter knallblaues Frostschutzmittel die Kehle hinunter.
    Auf gewisse Weise auch eine angemessene Reaktion. Schließlich war es eine verdammt kalte Nacht.
    Er dachte nach.
    Er würde versuchen aufzuhören …
     
    Auch Thorne dachte über etwas nach, das sich vor langer Zeit zugetragen hatte …
    Der Junge, den er zuletzt noch gesehen hatte, wie er sich, stolz auf seine flotte Föhnfrisur, in die Schule schleppte, war, obwohl er nicht allzu sehr gewachsen war, doch kräftiger geworden.
    Es war drei Jahre später. Vor fünfundzwanzig Jahren.
    Der zweite Weihnachtsfeiertag 1976. Zwei zu zwei zu Hause gegen Arsenal, herausgeschunden mit einem orangefarbenen Ball auf einem schneebedeckten Platz. Ein annehmbares Ergebnis in einer Saison, die schlecht angefangen

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