Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders
hatte, um noch schlechter weiterzugehen.
Sein Dad war am Platz geblieben, um noch ein Bier mit seinen Kumpeln zu trinken, und er lief allein zurück. Marschierte die Seven Sisters Road hinauf, der braune Matsch drang durch seine Boots und in seine Hosenumschläge. Den schwarzweißen Schal trug er nicht nur als treuer Anhänger, sondern auch wegen der Kälte.
Aus der Ferne sahen sie aus wie Erwachsene, aber als sie näher kamen, konnte er erkennen, dass sie nur ein oder zwei Jahre älter waren als er. Sie waren auch größer, trugen grüne Harrington-Jacken und rotweiße Schals.
Als sie auf gleicher Höhe waren, berührte er einen von ihnen an der Schulter, und ihre Blicke trafen sich. Er hatte kurz mit den Achseln gezuckt und gelächelt.
Zwei zu zwei. Faires Ergebnis, findest du nicht? Ein paar Minuten später hörte er schwere Schritte hinter sich, und bevor er reagieren konnte, hatte sich der erste von ihnen schon auf ihn gestürzt, ihm den Arm um den Hals gelegt und ihm das Gesicht auf das vereiste Pflaster gedrückt.
Die Autos brausten vorbei, das Wasser spritzte und die Scheinwerfer glitten über die drei Gestalten, doch keines bremste ab.
Es gelang ihm, auf die Knie zu kommen. Schon landete der erste von mehreren Faustschlägen in seinem Gesicht. Die Fäuste prasselten nur so auf ihn nieder, doch es gelang ihm, ein paar davon mit den Armen abzuwehren. Er spürte ein Krachen in seiner Hand, als etwas Langes und Schweres auf seine Schulterblätter herabsauste. Brüllend versuchte er, auf den Boden zu kommen, um so die Knie an die Brust ziehen zu können. Er wusste nicht mehr, was sein Stöhnen und was das dumpfe Klatschen der Fäuste war, die auf seine Wangenknochen und seine Schulter niederprasselten.
Er hörte eine Stimme und sah den Schatten eines Armes über ihm. Der Größere der Arsenal-Fans stieg fluchend über ihn, und endlich konnte er unbehelligt auf den Boden sinken. Stöhnend drehte er sich auf den Bauch und sah, als er wegkroch, wie sie sich über einen älteren Mann in Hemdsärmeln hermachten. Einer packte ihn bei den Haaren, während der andere lässig seine Stirn in das Gesicht das Mannes krachen ließ. Er war Grieche oder Zypriote. Bei all dem Blut war das schwer zu sagen. Vielleicht besaß er ein Geschäft in der Straße und war, als er den Lärm hörte, herausgekommen, um dazwischenzugehen. Er schrie und fluchte, als die beiden Schläger ihn in den nassen Rinnstein stießen und zutraten.
Tom Thorne schrie ebenfalls, versuchte Hilfe zu holen. Schrie um Hilfe, als die ersten Fußtritte ihn im Unterleib und im Bauch trafen. Schrie sogar noch lauter als der Mann am Boden, als die Stiefel immer und immer wieder zutraten. Schrie um Hilfe und rannte davon, schnell …
Er ging durch die Wohnung, schaltete das Licht aus. Erinnerte sich lächelnd daran, wie sein Dad im Stadium tobte, unflätig und meist weit über das Ziel hinausschießend: » Hoddle, du bringst überhaupt nichts!«
Er fragte sich, was wohl aus dem Mann geworden war, der versucht hatte, ihm zu helfen, und dafür eine ordentliche Tracht Prügel hatte einstecken müssen. Vermutlich hatte er denselben Fehler kein zweites Mal begangen.
Er hatte noch immer Schuldgefühle, weil er nicht zurückgekehrt war. Noch Tage später hatte er die Zeitungen durchforstet, aber nichts gefunden. Wahrscheinlich war er nicht ernsthaft verletzt worden, dennoch konnte der Junge den Ausdruck von Schmerz und Wut auf seinem Gesicht nicht vergessen. Fünfundzwanzig Jahre lag das zurück, und Thorne sah es noch immer vor sich, hatte noch immer das Geräusch im Ohr, als der Mann rückwärts in den Matsch fiel.
Thorne schloss die Schlafzimmertür, setzte sich auf die Bettkante und fing an, seine Schnürsenkel aufzubinden. Nun war er seit zwanzig Jahren ein Bulle und verstand immer noch nicht, warum sie auf ihn losgegangen waren.
Er hatte sie nur angelächelt.
Vierzehntes Kapitel
So also sieht das Alter aus, dachte Thorne.
Vor dem Fernseher ein massiver Sessel, dessen scheißefarbener Bezug mit Plastik abgedeckt ist, und überall Notrufknöpfe. Im Bad an jeder Stelle Griffe und voll gepisste Unterwäsche im Spülbecken. Und eine Frau, der das alles egal war, die zweimal am Tag vorbeikam, um nachzusehen, ob man schon tot war.
»Nehmen Sie Zucker, Mrs. Nicklin?« McEvoy steckte den Kopf aus der Küche.
Annie Nicklin schüttelte abwesend den Kopf, und Thorne gab McEvoy mit einer deutlicheren Geste zu verstehen, was sie meinte. Obwohl sie nicht viel
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