Tom Thorne 03 - Die Blumen des Todes
1967. Der Trip nach Wembley war ein Geschenk zu seinem siebten Geburtstag gewesen, nachdem die Spurs Chelsea zwei zu eins geschlagen und den Pokal gewonnen hatten. Thorne konnte sich noch immer an den Jubel erinnern und wie verblüfft er beim Anblick der riesigen Rasenfläche war, als sein alter Herr ihn die Stufen zu ihren Sitzen hinaufführte. Diesen ersten Blick auf den Rasen hatte er immer geliebt, in all den Jahren, in denen sie zusammen zu den Spielen gingen, wenn sie in den Lärm und das Licht auf der Tribüne an der White Hart Lane eintauchten.
Ob sich sein Vater wohl das Spiel heute angesehen hatte? Falls ja, hatte er zweifelsohne eine Meinung dazu.
Thorne rief ihn an und hörte sich zwanzig Minuten lang Witze an, denen die Pointe abhanden gekommen war.
Zweiundzwanzigstes Kapitel
Carol Chamberlain legte die Zeitung weg, als Thorne mit den zwei Kaffees an den Tisch kam.
»Das ist nicht gut«, sagte sie.
Thorne warf einen Blick auf die Horrormeldung und löffelte den Schaum von seinem Kaffee. »Ist nicht mein Problem.«
Trotz der Anstrengungen Trevor Jesmonds und seiner Oberen hatten die Medien etwa vor zwei Wochen Wind von der Geschichte bekommen, nach dem Southern-Mord. Es war nicht gerade das von Brigstocke vorausgesagte Schlachtfest in den Boulevardblättern, aber es war übel genug. Eine Zeitung hatte Fotos von rot durchgestrichenen, reißverschlussbesetzten Sexmasken gebracht, darüber die Schlagzeile »Drei weniger«. Eine andere hatte Aussagen von einer Hand voll Vergewaltigungsopfern abgedruckt mit Zitaten wie »Verleiht dem Mann eine Medaille« und »Nur ein toter Vergewaltiger ist ein guter Vergewaltiger« …
Am Montag kamen dann die Beschwerden der Leute, die sich für die Rechte und die Integration von ehemaligen Häftlingen einsetzten. Forderungen wurden laut, es müsse mehr getan werden, um den Mörder festzunehmen, Beschuldigungen, die Met lasse sich zu viel Zeit. Erst am Abend zuvor hatte Thorne in London Live eine aufgeheizte Debatte zwischen den Vertretern von Vergewaltigungsopferorganisationen, deren Gegenspielern von den Gefangenenrechtsgruppen sowie Polizeifunktionären gesehen. Der Assistant Commissioner, dem eine Schreckschraube von weiblichem Commander und ein schwitzender Trevor Jesmond zur Seite saßen, hatte die eine Lobby daran erinnert, dass die Mordopfer selbst vergewaltigt worden waren, während er der anderen versicherte, man bemühe sich nach allen Kräften.
Thorne hatte ausgeschaltet, als Jesmond immer mehr wie ein Karnickel im Scheinwerferkegel aussah und darüber laberte, zweimal Unrecht ergäbe noch kein Recht …
»Ihre Vorgesetzten könnten es aber dazu machen«, sagte Chamberlain.
Thorne schmunzelte. »Haben Sie das so gemacht?«
»Natürlich. Ich hab in Hendon Seminare gehalten zu dem Thema ›Wie gebe ich den schwarzen Peter weiter« …«
Sie saßen im Schatten, an einem Tisch vor einem kleinen vegetarischen Café mitten in Highgate Woods. Für Thornes Geschmack alles etwas arg bio, aber Carol hatte im Freien essen wollen, und das Lokal schien in Ordnung zu sein.
Das Ökobrot war fürchterlich überteuert, doch es ging ja auf Spesenrechnung …
Carol Chamberlain hatte ihren kalten Fall abgeben müssen, sobald er wieder heiß geworden war. Ihr war nichts anderes übrig geblieben, und sie arbeitete längst an etwas anderem. Dennoch war Thorne klar, wie viel sie ihr verdankten, und er fand, es sei das Mindeste, sie auf dem Laufenden zu halten. Darüber hinaus genoss er es, mir ihr zu reden. Die Gespräche mit Chamberlain waren ungemein fruchtbar. Seit sie in sein Büro geplatzt war, hatten sie ein paarmal miteinander telefoniert. Sie hatten getratscht, gelästert und mit Ideen gespielt …
»Wenigstens sind sie noch nicht auf die Verbindung mit dem Foley-Mord gekommen«, erklärte sie. »Sie wissen noch nichts von Mark und Sarah …«
Thorne nahm die Zeitung und blätterte sie durch. Er überflog die Fußballgeschichten auf der Rückseite. »Das ist nur eine Frage der Zeit.«
»Könnte natürlich auch von Vorteil sein.«
»Wie das?«
»Um die beiden aufzuspüren.«
»Oder sie für immer zu verschrecken …«
Nachdem sie den Kaffee getrunken und sich gegen eine Nachspeise entschieden hatten, stand Chamberlain auf und stellte ihre Teller aufeinander. »Nehmen wir den längeren Weg zu den Wagen.« Sie rieb sich über den Bauch. »Und laufen wir uns was davon runter …«
»Sie hat nach Ihnen gefragt, Dave …«
Nachdem er ihn aus seinem Büro
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