Tom Thorne 03 - Die Blumen des Todes
Zehntausenden von relevanten und irrelevanten Fakten verloren gegangen. Unter der immer größer werdenden Ladung Scheiße, die er ständig mit sich herumschleppte; Namen und Orte, Daten und Aussageschnipsel; Worte und Zahlen und winzige Gesten; Zugangscodes und Todeszeitpunkte; der Ausdruck auf dem Gesicht eines Angehörigen; der Schuhabdruck eines Hotelgasts; das Gewicht der Leber eines Toten …
Thorne wusste, dass die Antwort irgendwo darunter verborgen lag, und das machte ihm zu schaffen. Noch etwas machte ihm zu schaffen, und er zögerte, bevor er es erwähnte.
»Was Sie da über Muster sagten …«
»Was?«
»Das zweite und das dritte Opfer. Er veränderte das Muster zwischen Welch und Southern.«
»Natürlich. Weil er annahm, dass Sie, sobald Sie eine Verbindung zwischen den Morden hergestellt hatten, die Gefängnisse kontaktieren und warnen würden. Daher musste er beim nächsten Mord anders vorgehen.«
»Und wenn er es nicht annahm, sondern wusste ? Wenn er es wusste, weil er Zugang zu den Ermittlungen hat? Es war stets davon die Rede, er müsse auf irgendeine Weise Zugang haben. Mit all dem Neuen, was sich getan hat, trat diese Idee in den Hintergrund. Was, wenn es ein Fehler war, die Idee nicht weiterzuverfolgen, der Mörder könne einer von uns sein …?«
Als Thorne zurück ins Becke House kam, wurde er sofort in Brigstockes Büro geschickt. Holland berichtete Brigstocke und Kitson über Joanne Lessers Besuch und sein anschließendes Telefonat mit Mrs. Irene Noble. Thorne bat Holland, Lessers Besuch noch einmal zu rekapitulieren, damit er auf dem Laufenden war.
»Interessant, dass die Adoptionsdaten und der Umzug so zusammenfallen«, meinte Brigstocke.
»Es wird noch viel interessanter. Als ich endlich Irene Noble am Telefon hatte, sagte ich ihr, ich wolle mit ihr über Mark und Sarah Foley sprechen. Das Erste, was sie mich daraufhin fragte, war, ob wir die beiden gefunden hätten.«
Thorne sah hinüber zu Brigstocke. »Wie konnte sie wissen, dass wir die beiden suchen?«
»Nein, Sir, das hat sie nicht gemeint«, entgegnete Holland. Er überflog eine Seite seines Notizbuchs und las daraus vor: »»Haben Sie die beiden endlich gefunden?« Das sagte sie wortwörtlich. Sie redet von zwanzig Jahren.« Holland blickte auf und sah hinüber zu Thorne. »Sie behauptet, die Kinder wären 1984 verschwunden …«
»Kurz nachdem die Nobles sie adoptiert hatten«, sagte Thorne.
»Richtig.« Brigstocke stand auf und ging um seinen Schreibtisch. »Und um die Zeit, als sie aus Colchester wegzogen.«
Holland steckte sein Notizbuch weg und lehnte sich gegen einen Stuhl. »Es kommt noch besser. Mrs. Noble behauptet, dass die Sache damals offiziell untersucht wurde. Die Kinder waren als vermisst gemeldet worden, sagt sie. Die Polizei habe wochenlang nach ihnen gesucht …«
»Haben Sie das überprüft?«, fragte Brigstocke.
»Es ist absoluter Quatsch. Ich hab es bis 1983 zurückverfolgt, nur für den Fall, dass sie die Daten verwechselte. Absolut nichts. Keine Unterlagen über eine Suche, keine Unterlagen über vermisste Personen. Weder auf nationaler, noch auf lokaler Ebene. Nichts davon ist passiert …«
»Welchen Eindruck hatten Sie von ihr, als Sie mit ihr sprachen?«, fragte Thorne.
»Sie klang überzeugend. Sie war aufgeregt …«
»Hat sie es gespielt? Was denken Sie?«
»Nein, glaub ich nicht. Es klang aufrichtig …«
»Was ist mit dem Mann?«
»Roger Noble starb 1990. Herzanfall …«
Thorne ließ sich das einen Moment lang durch den Kopf gehen, dann wandte er sich an Brigstocke. »Wir reden wohl besser mit ihr.« Brigstocke nickte. »Wo ist sie, Dave?«
»Sie lebt in Romford, aber sie kommt morgen in die Stadt. Sie sagt, sie geht gern im West End shoppen Thorne schnitt eine Grimasse. »Ach ja …?«
»Ich habe mit ihr einen Termin um halb elf vereinbart.«
Brigstocke nahm die Brille ab, zog ein zerknülltes Papiertaschentuch aus seiner Hosentasche und wischte damit den Schweiß von der Fassung. »Gut gemacht, Dave. Am besten gehen Sie das so bald wie möglich noch mal mit Detective Sergeant Karim durch. Er muss sich wieder dahinter klemmen …«
»Sir …« Holland trat durch die Tür.
»Yvonne, könnten Sie sich ebenfalls daran setzen? Vielleicht haben wir jetzt etwas mehr Glück bei unserer Suche nach Mark Foley und seiner Schwester, da wir wissen, dass sie ihre Namen geändert haben …«
Kitson, die die ganze Zeit über nichts gesagt hatte, nickte und ging zur Tür.
»Das
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