Tom Thorne 03 - Die Blumen des Todes
kenne jemand in der Adoptionsabteilung, also rief ich sie an. Die Unterlagen dort sind etwas besser in Schuss als unsere. Haben Sie einen Stift?«
Holland musste lächeln. Er reichte ihr einen Stift von seinem Schreibtisch. »Bitte, fahren Sie fort …«
»Irene und Roger Noble haben Mark und Sarah Foley am 12. Februar 1984 offiziell adoptiert. Gut möglich, dass sie kurze Zeit später umzogen, aber das war sicherlich der letzte Kontakt, den die Kinder mit dem Sozialamt in Essex hatten …«
Holland notierte sich die Informationen. Nach allem, was sie wussten, schien das der letzte Kontakt, den Mark und Sarah Foley überhaupt mit jemandem hatten.
Sie liefen langsam um das Kricketfeld zu dem Kinderspielplatz. Der Weg lag im Schatten einer Reihe breiter Eichen und Hainbuchen. Das Wetter wurde schlechter, aber dennoch gab es hie und da einen Flecken dunkelblauen Himmels, wie verblassende Blutergüsse auf aufgedunsenem Fleisch.
»Mark Foley ist für mich noch immer ein heißer Tipp.«
»Seh ich auch so«, sagte Thorne. »Ich wünsche mir nur, ich könnte zufassen.«
»Das kommt schon. Er kann sich nicht ewig verstecken.«
»Was mir immer noch Probleme bereitet, ist das Motiv.« Chamberlain warf Thorne einen gespielt überraschten Blick zu. »Ich dachte, Sie seien nicht der Typ, der sich für Motive interessiert …«
»Letztlich gehört es nicht zu meinem Job, aber wenn es mir hilft, ihn zu kriegen …«
»Bitte, nur zu …«
»Das Motiv, Alan Franklin umzubringen, kann ich verstehen …«
»Dafür kann es kaum ein besseres Motiv geben. Franklin hat alles ausgelöst, ist für den Tod seiner Eltern verantwortlich. Hat allerdings lange gedauert, bis er seinen Rachedurst befriedigte.«
»Warum er so lange gewartet hat, leuchtet mir durchaus ein.«
Chamberlain grinste. »Vielleicht ist er einfach nur faul.«
Thorne glaubte, zu diesem Thema eine durchaus qualifizierte Meinung abgeben zu können. »Das denke ich nicht …«
Sie blieben einen Moment lang stehen.
»Er wurde erwachsen«, sagte Thorne. »Wartete, bis er stark genug, sein Hass groß genug war. Dann wartet er, bis Franklin alt ist, bis er sich sicher fühlt, bevor er in dem Parkhaus ein Ende macht.«
»Nur dass es kein Ende ist …«
»Nein, es ist kein Ende. Aber eigentlich hätte es das Ende sein müssen. Mark kommt damit davon, macht weiter mit seinem Leben.«
»Was immer sein Leben ist …«
»Warum taucht er jetzt wieder auf? Warum die anderen? Warum bringt er Remfry, Welch und Southern um?«
»Vielleicht fährt er darauf ab.«
»Ich bin mir sicher, dass er jetzt darauf abfährt, aber das war nicht der Grund, warum er damit angefangen hat. Nicht der Grund, warum er wieder damit angefangen hat. Etwas muss passiert sein …«
»Das Vergewaltigungselement ist entscheidend. Das haben Sie immer wieder gesagt. Vielleicht wurde er selbst vergewaltigt.«
»Vielleicht.« Thorne hatte das Gefühl, auf alten Pfaden zu wandeln. Diese Möglichkeit hatten sie bereits in Betracht gezogen, als sie vermuteten, der Mörder könne ein Exhäftling sein, der eine alte Rechnung zu begleichen hatte. Sicher, das war eine Möglichkeit, aber irgendwie erschien ihm diese These schal und nicht hilfreich.
Bei einem unvermittelten lauten Wumms hinter ihnen zuckte Chamberlain zusammen. Eine Hand voll Jungen tollte in den Kricketnetzen herum, und für ein, zwei Minuten sahen sie ihnen zu. Als Chamberlain schließlich das Schweigen brach, musste sie sich nah zu ihm beugen, um sich über den Lärm hinweg verständlich zu machen.
»Ich erinnere mich an eine Gedichtzeile aus der Schul e«, sagte sie. Ohne die Augen von den Jungen abzuwenden, neigte Thorne den Kopf zu ihr, um sie besser zu hören. »Die Kindheit ist das Reich, in dem niemand stirbt …«
»Aus welchem Gedicht stammt das?«, fragte Thorne, als sie weiterliefen.
»Aus einer dieser Anthologien, die wir lesen mussten. Ich weiß nicht genau …«
Als sie ihre auf der Hauptstraße abgestellten Autos erreichten, blieb Chamberlain stehen und berührte Thorne am Arm. »Es ist in Ordnung, mit Ideen zu spielen, Tom. Aber vergessen Sie nicht, falls es eine Antwort gibt, liegt sie in den Details. In den Einzelheiten und Fakten, aus denen sich das Muster eines Falls zusammensetzt.«
Thorne nickte und öffnete die Tür des BMW. Er wusste, dass es Antworten gab. Er wusste auch, dass er sie bereits irgendwo abgespeichert hatte, falsch abgespeichert hatte, weshalb er sie nicht abrufen konnte. Sie waren unter den
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