Tom Thorne 03 - Die Blumen des Todes
Mantel trug …
»Erzählen Sie uns mehr über Mark und Sarah, Mrs. Noble.«
Sie überlegte einen Augenblick und lächelte flüchtig, bevor sie an ihrem Kaffee nippte. »Roger scherzte immer, die beiden seien uns beim Umzug abhanden gekommen. Wie eine Teebüchse, die man nicht mehr findet.« Sie sah die Reaktion auf Thornes Gesicht und schüttelte den Kopf. »Das war nicht böse gemeint, es war liebevoll. So war er nun mal. Er versuchte, mich zum Lachen zu bringen, wenn ich weinte, verstehen Sie? Ich weinte viel, als es passierte …«
»Das war, kurz nachdem Sie die Kinder adoptierten?«, fragte Holland.
»Anfang 1984. Da hatten wir sie schon vier Jahre. Es gab ein paar Probleme, natürlich, aber dann renkte sich alles ein.«
Thorne registrierte den gekünstelten Tonfall. Eine »Telefonstimme«. Seine Mutter hatte auch so geredet. Das affektierte Getue für Ärzte, Lehrer und Polizisten …
»Es gab vorher Probleme, nicht wahr?«, sagte Holland. »Bei den vorherigen Pflegeeltern.«
»Richtig. Und sie warfen sofort die Flinte ins Korn. Nur Roger und ich hielten durch. Uns war klar, da musste man einfach durch. Sie waren beide sehr verstört, und dazu hatten sie weiß Gott jedes Recht.«
»Was für Probleme waren das?«
Sie zögerte ein paar Sekunden, bevor sie antwortete. »Verhaltensauffälligkeiten. Probleme, sich anzupassen, verstehen Sie? Roger und ich dachten, wir hätten es unter Kontrolle gebracht. Offensichtlich hatten wir uns getäuscht.« Sie nahm den Teelöffel und schaute in ihre Kaffeetasse, während sie umrührte. »Verhaltensauffällig.« Sie wiederholte das Wort, als handle es sich um einen medizinischen Fachausdruck. Thorne warf Holland einen Seitenblick zu, auf den dieser mit einem Achselzucken reagierte.
»Sie beschlossen also, die beiden zu adoptieren?«, fragte Holland. Mrs. Noble nickte. »Wie haben die Kinder darauf reagiert?«
Sie sah Holland an, als habe dieser soeben eine sehr dumme Frage gestellt. »Sie hatten ihre leiblichen Eltern verloren und waren von sämtlichen Pflegeeltern, die sie seither gehabt hatten, im Stich gelassen worden. Die beiden waren begeistert, dass wir eine richtige Familie sein würden. Und das waren wir auch. Roger und ich, wir hatten uns immer Kinder gewünscht. Bei diesen beiden entging uns vielleicht die Windelphase, aber schlaflose Nächte hatten wir genug, das kann ich Ihnen sagen …«
»Ich kann es mir vorstellen«, erwiderte Thorne.
»Und auch, als sie verschwunden waren. Viele …«
»Wie verschwanden sie denn?«
Sie schob ihre Tasse zur Seite, legte die leberfleckenübersäten Hände übereinander. »Wir zogen am Samstagmorgen um, und es war das übliche Chaos, verstehen Sie? Überall Schachteln und Möbelträger, die ständig auszurutschen drohten, weil es frisch geschneit hatte. Wir sagten den Kindern, sie könnten ihre eigenen Sachen einräumen, also machten sie sich daran. Verschwanden nach oben …«
»Und stritten wohl, wer das größte Zimmer bekommt?«
Sie warf Thorne einen Blick zu. »Nein. Die Schlafzimmer hatten wir bereits zu Anfang verteilt, vor dem Umzug …«
»Was geschah dann?«, fragte Thorne.
»Sie brauchten ihre eigenen Zimmer, verstehen Sie?«
»Was geschah dann, Mrs. Noble?«
»Niemand hörte, als sie gingen, niemand sah etwas. Sie lösten sich in Luft auf wie Geister …«
»Wann haben Sie bemerkt, dass die beiden weg waren?«
»Wir hatten alle Hände voll zu tun, das können Sie sich sicher vorstellen. Wir versuchten, den Laden zum Laufen zu bringen. Die Teebeutel und der Wasserkessel waren unauffindbar.« Sie begann, an ihren Fingernägeln zu knibbeln. »Es war beim Abendessen, denke ich. Ich weiß es nicht mehr genau, es war bereits dunkel …«
»Was haben Sie gedacht?«
»Anfangs dachten wir uns eigentlich nicht viel. Die beiden waren immer viel unterwegs. Sie waren sehr unabhängig und ständig gemeinsam auf Achse. Allerdings hatte Mark stets ein Auge auf seine Schwester. Er kümmerte sich immer um Sarah.«
Thorne warf Holland einen Blick zu. »Wann wurde die Polizei gerufen?«, fragte Holland.
»Am nächsten Morgen. Als sie morgens immer noch nicht da waren, war uns klar, dass etwas nicht stimmte. Als ihre Betten unbenutzt waren …«
Thorne beugte sich vor. Er nahm einen der italienischen Kekse, die zu dem Kaffee gereicht wurden, und brach ihn auseinander, wobei er beiläufig fragte: »Wer rief die Polizei?«
Die Antwort kam ohne Zögern. »Roger. Nun, er rief nicht an, sondern lief selbst zur
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