Tom Thorne 03 - Die Blumen des Todes
mitbekommen hat …«
Thorne nickte. Da war was dran. »War bei meinen genauso …«
»Sie wusste, was er dachte, und erst recht, was er tat.«
Hendricks langte in die Brusttasche seiner Jeansjacke und zog eine Silk Cut aus einem Zehnerpäckchen. Thorne war irritiert, so wie nur ein ehemaliger Raucher irritiert sein konnte. Irritiert über die Tatsache, dass sein Freund eine oder zwei rauchen konnte und dann das Päckchen ein oder zwei Wochen lang wegsteckte, bis er Lust auf die nächste hatte. Rauchen, es genießen und nicht gleich auf die nächste gieren. Ein Päckchen mit zehn, mein Gott …
»Werden sie es erfahren?«, fragte Hendricks. »Diese Frauen? Wird ihnen jemand die schlechten Neuigkeiten über ihre toten Männer auftischen?«
»Im Augenblick stellt sich diese Frage nicht. Wenn wir ein Ergebnis haben, werden sie es früh genug erfahren Hendricks nickte und zündete sich seine Zigarette an. Die blauen Rauchkringel entschwebten an den Pooltisch, wo nun ein Mann und eine Frau spielten. Sie blieben in dem Lichtkegel über dem Tisch hängen.
»Vielleicht glauben wir nur zu wissen, was bei unseren Eltern lief«, sagte Thorne. »Vielleicht wissen wir nicht mehr oder weniger als die beiden.«
»Ich nehm an …«
»Es gibt einen alten Countrysong, der heißt Behind Closed Doors« …«
»Verdammt, geht das schon wieder los …«
»Stimmt doch, oder? Oft ist Familiengeschichte pure Mythologie. Scheiße, die einfach weitergegeben wird und bei der man nie weiß, was wirklich geschah und was nur erfunden ist. Niemand denkt auch nur daran, sich hinzusetzen und es zu erzählen. Die Wahrheit, wie’s wirklich war. Bevor man es merkt, beruht die eigene Geschichte nur auf Hörensagen.« Thorne trank von seinem Bier. Ihm war klar, an irgendeinem Punkt hätte er mit seinem Vater reden sollen. Mehr über seine Eltern und deren Eltern in Erfahrung bringen sollen. Ihm war klar, dass das nun zwecklos war …
»Wahnsinn«, sagte Hendricks. »Das steckt alles in einem Song?«
»Du bist ein solches Arschloch …«
Sie verließen die Bar, um Platz für ein paar junge Kerle zu machen, und tranken ihr Bier neben der Tür.
»Wie hilft dir das alles mit Mark Foley weiter?«, fragte Hendricks.
»Er ist noch immer unser Hauptverdächtiger.«
»Wer immer er auch sein mag …«
»Richtig. Und wo immer er sein mag. Aber er macht mein Leben nicht gerade einfach.«
»Er macht bestimmt einen Fehler. Und dann nageln wir ihn fest …«
»Ich rede nicht davon, ihn dingfest zu machen.« Es fiel Thorne schwer, an seinen Mörder zu denken, ohne ihn sich als fünfzehnjähriges Kind vorzustellen. Er sah einen Jungen, der seine Schwester beschützte, sie von dem Platz wegbrachte, an dem einer – oder vielleicht beide – von ihnen missbraucht wurde. »Ich versuche noch immer herauszufinden, was er ist.« Thorne wandte sich Hendricks zu. »Das Ganze ist total verquer, Phil. Mark Foley oder Noble oder wie immer er sich jetzt nennt ist ein Mörder, und er ist ein Opfer.«
Hendricks zuckte mit den Schultern. »Das heißt?«
»Das heißt, es gibt da einen Teil von ihm, den ein Teil von mir nicht wirklich fassen will …«
Thorne begleitete Hendricks zur U-Bahn. Hendricks fragte Thorne nach Eve, machte sich lustig über ihn, als er von ihrem heißen Date am Samstag hörte, und jammerte über sein eigenes ereignisreiches, aber letztlich ödes Liebesleben.
Thorne schenkte ihm nicht allzu viel Aufmerksamkeit. Er war müde und stellte sich vor, wie er sanft auf seinen Hügel schwebte, wie der Farn ihm zuwinkte, als er näher kam. Plötzlich war Jane Foley neben ihm, schwebte herunter auf die Erde, und obwohl er ihr Gesicht nicht sehen konnte, stellte er sich den Schmerz darin vor, den sie um ihretwillen und um ihrer Kinder willen empfand.
Thorne wusste, dass er und Jane Foley, wenn sie auf dem Boden aufkamen, geradewegs durch den Farn hindurchschweben würden. Er wusste, dass der Hügel unter ihrem Gewicht zusammenbrechen und sie einsinken würden, tief unter die Erde, durch das Wasser und das verrottete Holz alter Särge. Und weiter durch pulvrige Knochen und in die Dunkelheit, wo Stille herrschte und die Erde schwer auf ihnen lastete.
Vierundzwanzigstes Kapitel
Auf dem Anrufbeantworter war Irene Nobles Telefonstimme sogar noch ausgeprägter. Holland wartete auf den Signalton und fing an zu sprechen. »Hier ist Detective Constable Holland von der Serious Crime Group. Bei unserem Gespräch gestern vergaßen Detective Inspector
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